Bürgermeister Alexander Biber im Gespräch.
Ein großes Thema ist bundesweit die Digitalisierung. Wo steht die Stadt Troisdorf aktuell und was steht in den kommenden Jahren an?
Die Digitalisierung ist eine Daueraufgabe der Daseinsvorsorge. Der Gesetzgeber hat die zeitlichen Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes gelockert, weil wir bundesweit noch nicht so weit sind, alle Dienstleistungen, für die keine persönliche Fürsprache in den Rathäusern nötig ist, online anzubieten. Wir in Troisdorf haben bereits, wie andere Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis auch, ein Serviceportal ans Laufen gebracht. Das ist eine eigene Internetseite der Stadt, die nur für die Dienstleistungen da ist, also etwa für die Anmeldungen eines Gewerbes oder eines Hundes.
Da haben wir in Deutschland offenbar noch Nachholbedarf. Wie sieht es denn mit der Sicherheit der sensiblen Daten aus?
Die Authentifizierungsverfahren müssen rechtssicher sein. Und da hier allerpersönlichste Informationen übermittelt werden, muss auch die Datensicherheit gewährleistet sein. Da sind das Land und der Bund in der Pflicht, die Standards zu setzen und deren Umsetzbarkeit in der Praxis zu ermöglichen. So ist für bestimmte Dienstleistungen die Identifizierung mit dem digitalen Personalausweis nötig.
Wie ist der zeitliche Ablauf bei der Digitalisierung?
Gestartet sind wir mit dem Standesamt. Weiter geht es mit dem Bürgerbüro, wo schon einige Dienstleistungen umgestellt sind und so geht das sukzessive weiter. Der Vorteil ist, dass man nicht mehr für jede Dienstleistung ins Rathaus gehen muss, sondern Anträge auch abends auf dem Sofa digital abschicken kann. Parallel zur Digitalisierung von Anträgen und deren Bearbeitung arbeiten wir auch daran, die Abläufe bei uns im Rathaus zu digitalisieren. Das soll dabei helfen, die ganzen Verwaltungsvorgänge zu straffen, damit wir die Bürgerinnen und Bürger schneller bedienen können.
Kann die Stadt da alleine vorpreschen und ihre eigenen Standards setzen?
Nein, da bewegen wir uns in einem sehr festen Rahmen, den das Land und der Bund vorgeben. Und viele Aufgaben sind so umfassend, dass wir sie im Verbund mit vielen anderen Kommunen angehen. So sind wir sind an vielen Stellen darauf angewiesen, dass das Land NRW uns sagt, welchen Standard wir nehmen müssen. Da bringt es nichts, wenn die Stadt Troisdorf sagt, ich hätte das gerne in einem bestimmten Format und in Siegburg oder Much sieht es dann schon wieder anders aus.
Wie bewältigt die Verwaltung die Aufgaben der Digitalisierung?
Wir haben im vergangenem Jahr eine Stabsstelle Digitalisierung eingerichtet, in der insgesamt vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind, die daran arbeiten, das vielfältige und umfassende Leistungsangebot aller Fachämter in den digitalen Raum zu überführen. Und das natürlich immer im Vergleich mit anderen Kommunen, in Kooperation mit anderen Städten und Gemeinden und vor allem immer im Rahmen des rechtlichen Rahmens und der technischen Voraussetzungen. Das ist eine Mammutaufgabe. Die ersten Erfolge geben aber Anlass zu Optimismus.
Muss sich jetzt jeder, der sich mit den digitalen Angeboten nicht zurechtfindet, Sorgen machen?
Als öffentliche Verwaltung wird es im Rahmen der Daseinsvorsorge auch weiterhin den analogen Weg zu uns geben. Wir werden im Rathaus immer noch Anlaufstelle für diejenigen sein, die nicht den digitalen Weg gehen wollen oder können. Das Internet ist ein zusätzlicher Kanal, von dem wir alle hoffen, dass er immer leistungsfähiger wird. Die Digitalisierung bietet unter anderem die Möglichkeit, auch außerhalb der Öffnungszeiten erreichbar zu sein. Man muss nicht mehr für jeden Antrag im Rathaus vorstellig werden.
Die Frage nach Wohnmöglichkeiten beschäftigt die Bürgerinnen und Bürger schon länger. Welche Maßnahmen wurden bereits ergriffen, um ausreichend adäquate Wohnungen zu schaffen und was ist in Zukunft geplant?
Ausreichend Wohnraum zu schaffen ist immer relativ. Wenn man diese Region betrachtet, gibt es einen wahnsinnigen Nachfrageüberhang. Das Angebot ist zu klein. Gerade durch die geänderte Förderkulisse, die der Bund beschlossen hat, stärker auf die Sanierung, statt auf den Neubau von Wohnungen zu setzen, kommen gar nicht mehr so viele Neubau-Vorhaben in die Planung. Und wenn bezahlbarer Wohnraum saniert wird, wird dieser nochmal teurer. Die äußeren Rahmenbedingungen, die uns aus Berlin vorgegeben werden, sind für die Zukunft des Wohnungsbaus äußerst kontraproduktiv.
In Troisdorf sieht man aktuell einige Neubauprojekte wachsen. Entsteht da auch sozialer Wohnraum?
Ja, darüber sind wir sehr froh. Wir in Troisdorf waren in den vergangenen zehn, zwölf Jahren allerdings immer die Kommune mit dem meisten geförderten Wohnraum im Rhein-Sieg-Kreis. Wir haben aktuell an der Mendener Straße auf der Hütte das „Carré verde“, das zwischen Juni und August fertiggestellt wird. Da entsteht ein Quartier mit rund 45 Wohnungen im geförderten Wohnungsbau, die jetzt auch schon in der Belegung sind. Dort gibt es eine Durchmischung mit frei finanzierten Eigentumswohnungen. Wenn das fertiggestellt ist, entsteht direkt daneben von den Bethel Stiftungen ein weiterer Gebäudekomplex, zum Teil im geförderten Wohnungsbau und zum Teil im betreuten, teilstationären Umfeld, sodass unterm Strich rund 150, 160 Wohneinheiten neu entstehen. Auf der anderen Seite der Friedrich-Wilhelms-Hütte Richtung Sieglar ist der Bereich Marie-Lene-Rödder-Straße. Dort geht es mit dem zweiten Bauabschnitt weiter. Es wird weitere Einfamilienhäuser, aber auch Geschoss-Wohnungsbau geben. Auf dem Erschließungsgebiet Auf dem Grend in Sieglar, dessen Bebauungsplan ein wenig umstritten war, finden im Moment die ersten Erschließungsmaßnahmen statt. Da entsteht noch eine ganze Menge bezahlbarer Wohnraum, aber ich kann jetzt schon sagen, dass das nicht reichen wird. Denn die Zahl der Menschen, die beim Wohnungsamt auf der Interessentenliste stehen und einen Wohnberechtigungsschein haben, ist riesig. Das sind vierstellige Zahlen, die wir da in Troisdorf haben. Und wir haben auch nicht mehr so viel Siedlungsfläche, auf die wir uns ausweiten können. Es wird in Zukunft darum gehen, dass wir gemeinsam mit dem Stadtrat gucken müssen, wo Bereiche sind, die man vielleicht noch verdichten kann.
Ein heikles Thema ist die Tunnelvariante der geplanten Rheinspange 553. Sie soll unterhalb des Rheins von Wesseling-Urfeld nach Niederkassel führen. Dafür soll ein Troisdorfer See zugeschüttet werden. Können Sie etwas zu den Plänen und auch zu eventuellen Konsequenzen des Tunnelbaus sagen?
Gerne, aber lassen Sie mich vorausschicken, dass wir als Stadt da nur Zuschauer sind. Das ist eine Geschichte, die der Bund über die Autobahn GmbH plant. Wir hier in Troisdorf schauen uns das sehr genau an und können im weiteren Verfahren Stellung beziehen. Das Projekt ist aber nicht vom Himmel gefallen, sondern man hat sich über drei bis vier Jahre hinweg den gesamten Bereich von Leverkusen bis Bonn angeschaut und überlegt: Wo schaffen wir eine neue Rheinquerung? Die Variante, die jetzt zur Diskussion steht, belastet die Umwelt und die Menschen am wenigsten. Sie ist finanzierbar und für den Verkehrsfluss sinnvoll. Und ja, dafür muss der sogenannte Schwalbensee wahrscheinlich zum Teil verfüllt werden, weil die Autobahn GmbH an dieser Stelle den Anschluss schaffen möchte. Aber wir müssen dabei berücksichtigen, wie diese Seen entstanden sind: Das sind ehemalige Kieslöcher, das sind Baggerseen. Der Schwalbensee war einer der ersten Seen, die ausgekiest und dann sich selbst überlassen wurden. Das ist kein Urwald. Wir reden nicht über eine Fläche, die immer schon so war, sondern die von Menschen gemacht ist und der Schaden, der damit angerichtet wird, ist für den Nutzen der ganzen Region verschmerzbar. Wir werden auf nahe Zukunft in die Situation kommen, dass die Bonner ihre Nordbrücke sanieren müssen. Und im Kölner Süden wird die Rodenkirchener Brücke auch irgendwann generalsaniert werden. Wenn wir es nicht schaffen, bis zu diesem Zeitpunkt eine zusätzliche Rheinquerung zu bauen, dann weiß ich nicht, wie hier in der Region irgendetwas funktionieren soll.
Sie haben die Hälfte der aktuellen Wahlperiode geschafft. Wie sieht Ihre Zwischenbilanz aus?
Die erste Zeit war von Corona geprägt. Als ich im November 2020 in das Amt gekommen bin und alle hinter Plexiglas standen und die Maske aufhatten, war das schon befremdlich. Insofern waren die ersten zwei Jahre in Bezug auf Repräsentationsaufgaben deutlich reduziert. Das hatte andererseits den Vorteil, dass ich Zeit hatte, mir innerhalb der Verwaltung alles genau anzugucken, bestimmte Strukturen nochmals zu überdenken, und zu überlegen, ob alles vernünftig organisiert war und mich dann gegebenenfalls verstärkt darum zu kümmern. Etwa um die Digitalisierung.
Hat Corona Ihren Handlungsspielraum als Bürgermeister sehr eingeengt?
Ich habe in den vergangenen zweieinhalb Jahren immer wieder versucht, die Herausforderungen, die extern auf uns einwirkten, so abzumildern, dass sie hier nicht in irgendwelche Extreme ausschlagen. Wir sind damals nach dem Lockdown mit 25-%-Gutscheinen gestartet. Wir wollten versuchen, dem Handel und der Gastronomie etwas zurückzugeben. Natürlich musste ich dafür Geld in die Hand nehmen, aber der Umsatz, der dadurch hier lokal gebunden werden konnte, war für den Troisdorfer Handel enorm und auch ein Stück weit Dank und Wertschätzung für das, was immer geleistet wurde und wird. Das ist ein schönes Beispiel um zu zeigen, was auf lokaler Ebenen gemacht werden konnte.
Wo liegen die Schwerpunkte, die Sie gerne setzen möchten?
Ich bin mit drei Haupt-Themen gestartet: Wir wollen die Familien vor Ort stärken, das haben wir an vielen Stellen schon getan, zum Beispiel bei den Kita-Gebühren und durch zusätzliches Kita-Personal. Wir wollen unsere Wirtschaft stärken. Ich würde gerne vor dem Hintergrund, dass wir in den vergangenen Jahren sehr gute Steuereinnahmen hatten, dahin kommen, dass wir die Gewerbesteuer ein bisschen senken können. Das wird mit der aktuellen Ratsmehrheit leider etwas schwierig. Für 2023 konnten wir ja schon die Grundsteuer etwas senken. Wir müssen stabile und verlässliche Rahmenbedingungen für die Unternehmen und für alle Menschen bieten, die in Troisdorf leben. Das dritte Thema ist, dass wir umweltbewusster und klimafreundlicher werden. Und auch da sind wir gut unterwegs.
Können Sie für den Klimaschutz ein Beispiel nennen?
Gerne. Bei unseren Neubauten und Sanierungen legen wir großen Wert darauf, dass wir bei unseren Wärmequellen nach Möglichkeit im Quartier denken. Wenn wir also zum Beispiel in der Asselbachschule in Spich eine neue Heizung einbauen, denken wir nicht nur an das Gebäude, sondern überlegen, ob wir nicht die umliegenden privaten Wohnhäuser an ein Wärmenetz anschließen können. Der Klimaschutz ist zu einer Aufgabe geworden, für die wir bei allen Projekten nach den jeweils konkreten besten Lösungen suchen. Wir sind in den vergangenen zweieinhalb Jahren gut vorangekommen und es hat sich vieles weiterentwickelt. Und das möchte ich auch gerne weiterführen. (bbr)