Die Stadtbibliothek Troisdorf hat in Kooperation mit der Gleichstellungsbeauftragten einen Büchertisch bestückt. Hier findet man unter anderem den Weltbestseller „Wüstenblume“ von Waris Dirie, durch den das Thema eine breite Öffentlichkeit fand. Auch weitere autobiographische Schilderungen der Opfer von Genitalverstümmlung können ausgeliehen werden.
Warum ist es so wichtig, auch in Deutschland das Thema weibliche Genitalverstümmlung in den Fokus zu rücken? Antworten auf diese Frage liefert im Interview mit der Gleichstellungsbeauftragten Petra Römer-Westarp die deutsch-kurdische Schriftstellerin Sonja Fatma Bläser. Sie leitet den 2006 von ihr gegründeten Verein „HennaMond – Mut, Rat und Lebenshilfe für Menschen mit Migrationshintergrund e.V.“, der in Köln ansässig ist. Der Verein initiiert Aufklärungskampagnen zu den Themen Zwangsheirat, Ehrenmord und Genitalverstümmlung. Bundesweit berät er Frauen und organisiert Hilfe für betroffene Frauen.
Frau Bläser, was versteht man unter weiblicher Genitalverstümmlung?
S. Bläser: In einer Reihe von afrikanischen Ländern ist es bis heute üblich, Mädchen schon kurz nach der Geburt oder in den ersten Lebensjahren die Klitoris herauszuschneiden und die äußeren und inneren Schamlippen zu beschneiden und die Scheidenöffnung zuzunähen bis auf eine kleine Öffnung zum Wasserlassen. Wir müssen davon ausgehen, dass in Ländern wie Dschibuti, Ägypten, Guinea, Mali, Sierra Leone, Somalia und im Norden des Sudans etwa 90 Prozent der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren beschnitten sind. Auch im Nahen Osten, in Südostasien und in Südamerika werden Mädchen und Frauen genitalverstümmelt.
Diese illegalen Eingriffe werden oft von sogenannten Beschneiderinnen unter katastrophalen hygienischen Bedingungen durchgeführt. Durch die Beschneidung soll verhindert werden, dass Frauen Lust empfinden können, außerdem soll sichergestellt werden, dass sie keinen Geschlechtsverkehr vor der Ehe haben. Vor der Heirat wird die Naht an der Scheidenöffnung dann wieder aufgetrennt. Es handelt sich um äußerst schmerzhafte Eingriffe, die bei den Betroffenen ein Leben lang Leiden und Schmerzen verursachen und als traumatisch empfunden werden.
Warum ist es wichtig das Thema auch in Deutschland in den Blick zu nehmen?
S. Bläser: In meiner Beratungstätigkeit und bei Kursen mit Frauen mit Migrationshintergrund ist es mir auch in Troisdorf immer wieder begegnet, dass Frauen diese barbarischen Praktiken gutheißen und sie für ihre Töchter wünschen. Für sie hat es etwas mit Traditionen zu tun, die den Mädchen angeblich das Leben in ihrer Gemeinschaft erleichtern. Wenn die Familien hier niemanden finden, der den Eingriff durchführt, versuchen sie ihre Töchter in ihre Heimatländer zu bringen, damit die Beschneidung dort durchgeführt werden kann. Es ist ein schlimmes Unrecht, unmündige Kinder derartig zu misshandeln und zu verstümmeln und ihnen Teile ihrer Genitalien herauszuschneiden. Wir müssen uns als aufgeklärte Gesellschaft dafür einsetzen, dass Frauen und Mädchen vor diesem brutalen Akt geschützt werden, dass sie vor lebenslangem immensen körperlichen Leiden bewahrt werden und zu einer selbstbestimmten Sexualität finden können. Darum ist es sehr wichtig aufzuklären und dieses Unrecht anzusprechen, damit Fälle von weiblicher Genitalverstümmlung verhindert werden. Wir sollten das Sprachrohr sein für die Tausenden von Betroffenen in Deutschland. Es ist wichtig, dass Politiker*innen die Relevanz des Themas erkennen und sich dafür einsetzen, dass diese extremen Ausprägungen eines frauenfeindlichen Systems nicht mehr vorkommen.