Die städtische Pressestelle veröffentlicht im Rahmen des Jubiläums 50 Jahre Troisdorf nach der Kommunalen Neuordnung 1969 in loser Folge Interviews zu Entwicklungen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen unserer Stadt. Heute: Erinnerungen von Marlies Nöfer an August 1969.
Marlies Nöfer (87) war CDU Stadtratsmitglied von 1979 bis 1994, vor allem aktiv im Sozialausschuss und im Ausschuss für Städtepartnerschaften, aber auch im Sonderausschuss Altenrath in den 1980er Jahren. Sie gründete mit anderen 1976 die Frauen Union Troisdorf und die CDU Kleiderstube sowie die Krankenhaushilfe des DRK im Sankt Josef Hospital, war aktiv im Kirchenvorstand St. Hippolytus und beim Deutschen Roten Kreuz. 2007 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz. Vier Jahre später heiratete sie Stadtdirektor a.D. Heinz-Bernward Gerhardus.
Frau Nöfer, Sie waren die Ehefrau von Dr. Günter Nöfer, der die Kommunale Neuordnung in Troisdorf 1969 voran getrieben hat. Später waren Sie selbst in der Politik. Wie kam es dazu?
1969 war ich vor allem Hausfrau und Mutter. Das war damals so, da gab es noch nicht viele Frauen in der Politik. Mit der Zusammenlegung der Gemeinden zur neuen Stadt Troisdorf hatte ich deshalb nicht viel zu tun.
Um den 1. August 1969 herum, also gerade als die Neuordnung wirksam wurde, waren Günter und ich mit den Kindern in der Schweiz im Urlaub. Die Schweizer haben am 1. August ihren Nationalfeiertag. An dem Wochenende musste er dringend zurück wegen der ersten öffentlichen Sitzung rund um künftige Regelungen für die Übergangszeit bis zu den Kommunalwahlen im November 1969. Die Sitzung war am Montag, 4. August, im Sieglarer Rathaus. Da ist er auf seine Kosten einen Tag vorher nach Köln geflogen und am Dienstag wieder zurück in die Schweiz.
Günter Nöfer war in der Übergangszeit vom Inkrafttreten der Neuordnung am 1. August bis zu den Wahlen am 9. November 1969 Beauftragter des Landes für die Aufgaben des Bürgermeisters und Stadtrats. Heinz-Bernward Gerhardus war Beauftragter für die Stadtverwaltung. Die beiden waren vom Innenminister bestellte Organe der Aufsichtsbehörde, um die Neuordnung zu organisieren.
Gerhardus Tochter hat immer gesagt: Unser Vater ist jetzt Kommissar. Weil er und Nöfer ja kommissarisch eingesetzt waren. Als Aufwandsentschädigung erhielt er als Beauftragter damals 455 DM im Monat. Günter Nöfer hat die Sitzung am 4. August geleitet und sozusagen die Beschlüsse alleine gefasst, aber immer mit Blick auf die vorherige Politik in Sieglar und Troisdorf.
Es gibt von der Sitzung ein schönes Foto mit Nöfer und Gerhardus in der Zeitung. Da lachen die beiden noch. Die haben quasi im Alleingang wichtige Entscheidungen für die zukünftige Stadt getroffen, aber natürlich in Absprache vorher mit den Parteien.
Die Ratsparteien waren als Ansprechpartner im Wahlausschuss für die spätere Kommunalwahl vertreten. Bei Goldhochzeiten gab es früher als Geschenk neben 50 DM und einem Frühstückskorb auch eine Fuhre Holz. Das Holz-Geschenk wurde in der Sitzung in Sieglar aber abgeschafft. Das ging nur damals in der Situation, dass ein Kommunalpolitiker alleine die Entscheidungen treffen konnte und die Tagesordnung zügig abhakte. Der hohen Verantwortung dafür, dass alles reibungslos klappen mußte, waren sich damals alle bewußt.
Auf dem Weg zur Neuordnung gab es aber auch viele Diskussionen und manchen Streit.
Es gab wirklich eine Menge Diskussionen und mein Mann konnte nicht alles von dem durchsetzen, was er wollte. Er hatte viele Ideen, war immer gleich obenauf und lustig. Er erzählte gerne Witze wenn es zu ernst wurde, um die Lage zu entspannen. Das war sein Naturell, ein richtiger Rheinländer eben. Er hatte auch die Idee einer großen Stadt mit Troisdorf und Siegburg zusammen. Das nannten die damals „Nöfer-Town“ als Gegenpol zu Bonn und Köln. Aber dazu kam es ja nicht.
Er kam 1956 in den Stadtrat der damaligen Stadt Troisdorf, die 1952 zur Stadt erhoben worden war. Dr. Hans Kaesbach war bis 1969 Troisdorfer Stadtdirektor. Kommunalpolitik war damals überschaubar und es spielte sich alles in der Burg Wissem ab, dem damaligen Troisdorfer Rathaus mit dem alten Ratssaal. Da kannten sich die Leute untereinander gut.
Ab und zu saß ich auch mal hinten in den Ratssitzungen. Damals waren Frauen allerdings in der Politik nicht gefragt. Ich glaube, es gab im Stadtrat nur eine Frau der CDU und eine der SPD. Später kam für die SPD Wilma Gärtner in den Rat. Sie war sehr beliebt in Altenrath. Mein Mann nahm mich zu Festen und Veranstaltungen immer gerne mit. Die anderen Männer nahmen ihre Frauen selten mit.
Nöfer war Vize-Bürgermeister und kurz kommissarischer Bürgermeister, aber nie ordentlicher Bürgermeister.
Er war ab 1958 zehn Jahre lang CDU Fraktionsvorsitzender und war dauernd in Sitzungen. Irgendwann hab ich ihm gesagt: Lass die anderen doch auch mal machen. Und das tat er irgendwann auch. Er eben war immer für Überraschungen gut.
Als es um das Amt des Bürgermeisters ging und er Vize werden sollte, hab ich zu meinem Mann gesagt: Wenn Du schon Vize werden sollst, kannste nicht gleich den richtigen Bürgermeister machen? Das ist doch besser. Er hatte ja für seinen Beruf als Rechtsanwalt viel zu wenig Zeit, weil er immer in der Kommunalpolitik unterwegs war. Aber er meinte das ginge nicht, einmal wegen seines Berufs und es gab andere Kandidaten. Da war in Troisdorf Bruno Heimannsberg von der Zentrumspartei, der Bürgermeister bleiben wollte. In Sieglar war es Josef Ludwig (CDU), der war schon eine Amtszeit lang Sieglarer Bürgermeister.
Heimannsberg und Kaesbach wollten die Funktion und das Ansehen, die gesellschaftliche Stellung behalten. Das war damals für Männer wichtig. Kaesbach war vom Niederrhein und konnte schlecht Kontakte knüpfen.
Er hatte einen sehr trockenen Humor. Ich habe viele Abende neben ihm gesessen bei Veranstaltungen und er schlief oft ein. Da dachte ich immer, ich wäre so langweilig, weil er neben mir einschläft.
Herr Gerhardus war in Sieglar schon früh kompetenter Verwaltungschef.
Gerhardus war ab 1963 junger Sieglarer Gemeindedirektor. Er wollte natürlich mit Ende 30 Stadtdirektor der neu gebildeten Stadt werden. Ich habe Günter Nöfer gesagt: Nehmt den mit den vier Kindern, also Gerhardus. Ich weiß nicht, ob ihn das beeinflusst hat. Aber ich glaube, dass er auch der Meinung war, dass man wenn man eine Stadt neu aufbaut, das nicht mit den alten Männern macht. Man brauchte neue Ideen und mehr Tatkraft. Die alten Herren waren nicht nur äußerlich nicht aufzutauen. Ende Juli 1969 war die letzte Ratssitzung in Sieglar zum Abschied und danach wurde in der Küz gefeiert. Die Troisdorfer hatten noch im Oktober ihre letzte Ratssitzung mit kaltem Büfett.
Zu meinem Erstaunen funktionierte die Neuordnung dann ohne große Schwierigkeiten. Nöfer war es einfach wichtig, dass es klappte. Sein Ein und Alles war die Kommunalpolitik. Eine Zeitlang wollte er in den Landtag gewählt werden. Irgendwann wollte er aber eigentlich nicht mehr. Er war die Diskussionen darüber leid. Nachdem Günther Hardt den Landtag verlassen hatte, hieß es nach einer Sitzung: Wir haben Nöfer so lange getreten bis er sich endlich bereit erklärt hat.
Die Abgeordnetenbezüge haben uns sehr geholfen, so viel Geld hatten wir sonst gar nicht. Er hat ja als Rechtsanwalt nicht so viel gearbeitet, weil er dauernd in politischen Gremien engagiert war.
Hat Ihr Mann Sie unterstützt auf dem Weg in die Politik?
Mein Mann wollte eigentlich nicht, dass ich für den Rat kandidiere, aber hinterher hat er mir geholfen. Ich hatte später den Wahlbezirk Altenrath und wußte, dass ich den nicht gewinnen konnte. Das war eine reine SPD Ortschaft. Bürgermeister und Ortsvorsteher war Erich Gärtner bis zu seinem frühen Tod 1977. Erich und seine Frau Wilma Gärtner waren sehr beliebt bei den Leuten.
Günter Nöfer hat sich auch immer für seinen Geburtsort Altenrath eingesetzt, das hat ihn nie losgelassen. Er saß im Aufsichtsrat des Flughafens. Das war damals noch ein ganz einfacher Bau. Nöfer war gegen die Querwindbahn in der Wahner Heide. Er hat sich immer für die Erhaltung von Grünflächen eingesetzt, weil er im Grünen in Altenrath aufgewachsen ist.
Sie haben Ihren Mann wahrscheinlich nicht oft gesehen, Nöfer war viel unterwegs bei seinen vielen Funktionen.
1970 war er Mitglied im Stadtrat, in Kreistag und bis 1975 im Landtag. Er saß dauernd in Sitzungen. Später arbeitete er wieder als Rechtsanwalt. Es kamen Differenzen mit der CDU und Ende der 70er Jahre hatte er auch keine Lust mehr auf politische Auseinandersetzungen. Irgendwann fing dann seine Krankheit an, Alzheimer. Er starb im Februar 2000.
Gerhardus sagte mir mal: Nöfer und ich haben gut zusammengearbeitet. Auf ihn konnte man sich verlassen. Auf einige andere Gesprächspartner waren wir beide allerdings nicht gut zu sprechen. Deshalb klappte auch manches nicht, was man erreichen wollte.
Die Kommunalwahl am 9. November 1969 in der neuen Stadt Troisdorf brachte der CDU 23, der SPD 18 Sitze.
Nach der ersten Sitzung des neuen Stadtrats am 21. November 1969 sind wir alle zum Feiern in den Troisdorfer Bahnhof gegangen. Der war ja 1969 neu gebaut worden. Da war ein Wartesaal, der wurde als Wirtschaft genutzt. Damals wurde kräftig getrunken. Wir waren ja jetzt alle Troisdorfer. Die Sieglarer kamen auch mit den Frauen nach Troisdorf. Da hatte ich plötzlich die Sieglarer Damen um mich herum. So war es auch in der Verwaltung, da gingen Troisdorfer Beamte ins Rathaus nach Sieglar und Sieglarer in Büros auf Burg Wissem.
Damals gewann die CDU, später wechselte das und 1975 gewann die SPD. Hans Jaax (SPD) wurde Bürgermeister und blieb das 18 Jahre lang. In der Demokratie gehört der Wechsel ja dazu. Am Biertisch vertrug man sich aber immer wieder.
Wie ist Ihr Fazit mit Blick auf 1969?
Die Neuordnung wurde letztlich geschluckt. Das ist erstaunlicher Weise gut über die Bühne gegangen. Die Sieglarer sagten zwar: Die ärme Hungerbüggele us Troisdorf, die wolle mer nit. Sieglar war ja die reiche Großgemeinde. Die großen Firmen wie die DN, aber auch der Bahnhof lagen auf Sieglarer Gemeindegebiet, heute ja auch das halbe Rathaus an der Kölner Straße.
Es waren ja alles Rheinländer und man war gezwungen miteinander auszukommen und das Beste aus der Situation zu machen. Und ich meine, sie haben es damals gut gemacht. Übrigens: Gerhardus sagt heute noch immer, dass wir 2011 geheiratet haben, sei ein schönes spätes Ergebnis der Kommunalen Neuordnung.