Das Kunsthaus Troisdorf präsentiert unter dem Titel „Nachtschattengewächse“ ausgewählte Arbeiten des Kunstsammlers Peter Kerschgens. Im Fokus seiner umfangreichen Sammlung steht das Medium der Zeichnung, welche er seit den 1975er Jahren zusammenträgt. Der vom Niederrhein stammende ehemalige Lehrer für Sonderschulpädagogik generierte so in den letzten 45 Jahren ein unglaubliches Sammelsurium höchst qualitativer Arbeiten. Rund 20.000 Exemplare befinden sich seither in seinem Bestand, von denen nun im Kunsthaus Troisdorf rund 400 Arbeiten von insgesamt 100 Künstlern gezeigt werden. Zuvor war die Sammlung bereits dreizehn Mal im musealen Kontext deutschlandweit präsent und zeugt von der leidenschaftlichen Aktivität des Sammlers. Das Troisdorfer Kunsthaus ermöglicht mit diesem Ausstellungsvorhaben eine neue Präsentationsfläche für Kerschgens Sammlerstücke. Mit der Werkschau bespielen ausschließlich auch erstmals zeichnerische Arbeiten die hiesigen Ausstellungsräume, deren Zusammenwirken eine ästhetische Symbiose offenbart.
Mit Betreten der Räumlichkeiten eröffnet sich den Besucherinnen und Besuchern eine wahre Wunderkammer zeichnerischer Vielfalt. Es scheint, als gäbe es kein Ordnungssystem, das die Vielzahl und Vielfalt der Arbeiten kategorisiert. Der Eindruck einer „wilden Hängung“ entsteht, die dennoch formal in Bildgruppen arrangiert ist. Namen und Titel der Künstler sucht man hier vergebens, denn diese sollen nicht über die Qualität und den Wert des einzelnen Werkes entscheiden. Neben bekannten Künstlern aus der Kölner Region sind es vor allem Künstler, die auf dem Kunstmarkt nicht etabliert und nahezu unbekannt sind. Peter Kerschgens schafft mit diesem Ansatz einen Kontrapart zum stetig wachsenden und florierenden Kunstmarkt und der Museen, deren Aufmerksamkeit meist renommierten Künstlern und vielversprechenden Newcomern gewidmet ist. Wichtiger für Kerschgens ist der emotionale Wert der Arbeiten, so dass er zu vielen Künstlern Freundschaften führt und zu jeder einzelnen Arbeit eine enge Verbindung spürt. „Wir sehen viele Dinge, die sonst nicht in Ausstellungen gezeigt werden und im Dunklen verblühen würden“, so der Sammler. Bei seiner Sammlungsabsicht geht es ihm auch um die „Existenzberechtigung der Arbeiten, die nach dem Überleben schreien“. Das Sammeln von Werken, die ohne ihn in Vergessenheit gerieten und ein Dasein im Verborgenen verleben würden, belanglos für den Kunstmarkt, ist sein Ansporn diese herausragenden Zeichnungen zu sammeln und stetig der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Seine Sammlung nennt er „Ideenspeicher“ und es scheint, als ob es keine thematischen und gestalterischen Grenzen gibt. Von abstrakten Tuschezeichnen über Aktstudien mit Kohle gezeichnet bis zu collagierten Zeichnungen fabelhafter Wesen oder detaillierten Landschaftszeichnungen – Kerschgens gesammelte Zeichnungen bilden jede Facette dieses Mediums ab. Ihre stets individuelle Präsentation in Ausstellungsräumen unternimmt der Sammler eigens und intuitiv. Erst vor Ort selektiert er aus seinem gesamten Kunstschatz Arbeiten und setzt diese, arrangiert in Gruppen, mit dem Ausstellungsraum in einen Kontext und schafft auf diese Weise ein Gesamtkunstwerk aus Architektur und Zeichnung. Oftmals bespielen seine Arbeiten neben den Wänden auch großflächig den Boden, ein Vorhaben, das auch für den Nebenraum im Kunsthaus angedacht ist. In der Atmosphäre eines White Cubes treten Kerschgens Nachtschattengewächse nun ans Tageslicht. Der Eindruck der anfänglichen „Unordnung“ weicht beim aufmerksamen Betrachten der Arbeiten. Die einzelnen Zeichnungen stehen im Gesamtzusammenhang eines großen, raumgreifenden energetischen Systems. Der Betrachter wird angeregt, „Vergleichendes“ im Raum zu finden, um das einzelne Werk in das Gesamte einzuordnen. Manchmal erspäht er bereits in einer Gruppe mehrere Arbeiten mit der gleichen Handschrift. Manchmal macht er diese Entdeckung erst in einer weiteren Gruppe, in einem anderen Raum. Auch gestalterisch sind die Werke innerhalb der Gruppen verbunden. Es entstehen auf diese Weise Synergien zwischen den einzelnen Gruppen und Werken innerhalb der Ausstellungsräume.
Eine hervorzuhebende Gruppe ist die des „Persischen Prinzen“, die zentral im ersten Ausstellungsraum zugegen ist. Zu sehen sind jeweils Bildpaare, die Assoziationen zur Thematik des persischen Prinzen abbilden. Seit den 80er Jahren wächst diese Gruppe in Kerschgens Sammlung. Anfangs noch bestückt mit Werken von Künstlern wie Nichtkünstlern, konzentriert sich Kerschgens jüngst ausschließlich auf Arbeiten von ihm ausgewählter Künstler und bittet diese um einen künstlerischen Beitrag. Im Vergleich zu den restlichen Arbeiten scheint sich in dieser Werkgruppe eine kleine Disposition der gattungsübergreifenden Gestaltung eingespielt zu haben, so dass die Zeichnung um weitere Materialien und Medien erweitert wird.
In der Tradition der Sammlungsgeschichte erreicht diese Kunstsammlung einen eigenen Stellenwert und ein Alleinstellungsmerkmal. Peter Kerschgens spricht ihr den Charakter einer Kunst zu, die geschaffen wurde um ihrer selbst willen, ein Ansatz der in der Mitte des 20. Jahrhundert auch die junge Kunstavantgarde antrieb. Gleichzeitig wertet er die Zeichnung als eigenständiges Medium auf und präsentiert sie als vollwertiges Kunstwerk selbstverständlich im Ausstellungsraum, wenngleich manche Werke ursächlich aus Notizbüchern stammen, Vorstudien bildeten oder nicht für eine Öffentlichkeit bestimmt waren. Der Sammler wird mit seiner Sammlungspräsentation selbst zum Katalysator der Werke und ihrer Künstler und geleitet den Betrachter durch eine wundersame Welt des Zeichnens.
Eröffnung der Ausstellung: Sonntag, 7. April 2019, um 11 Uhr im Kunsthaus Troisdorf, Mülheimer Straße 23 in 53840 Troisdorf.
Finissage am Sonntag, 5. Mai, um 11.30 Uhr.