Die städtische Pressestelle veröffentlicht im Rahmen des Jubiläums 50 Jahre Troisdorf nach der Kommunalen Neuordnung 1969 in loser Folge Interviews zu Entwicklungen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen unserer Stadt. Heute: Die Schulentwicklung in Troisdorf seit den 1960ern.
Bernd-Ulrich Grossmann (75) fing 1960 bei der alten Stadt Troisdorf als Lehrling an, wurde 1966 als Inspektor-Anwärter vorübergehend zur Schul- und Kulturabteilung versetzt und blieb (ab 1986 als Amtsleiter) in diesem Fachbereich bis zum Beginn seiner passiven Altersteilzeit im Jahre 2004 tätig.
Herr Grossmann, Sie waren über 46 Jahre lang in Diensten der Stadt Troisdorf, davon mehr als 38 Jahre lang in einem Aufgabengebiet. War das auf Dauer nicht langweilig?
Das Rotationsprinzip hat unbestreitbare Vorzüge, wenn es um Vorbeugung gegen Korruption und zahlreiche andere Aspekte geht. Schon während meiner Ausbildung konnte ich in den umfangreichen Aufgabenkatalog einer kleinen Kommune hineinschnuppern und merkte sehr schnell, dass speziell das sogenannte Schulamt ein faszinierendes Bündel von Arbeiten bereithält, deren Erledigung für Profil und Zukunft einer Gemeinde eminent wichtig ist. Deshalb bin ich auch heute noch sehr dankbar dafür, dass mir das „Versetzungskarussell“ erspart geblieben ist.
Sie haben die Kommunale Neuordnung hautnah miterlebt. Können Sie sich an besondere Ereignisse erinnern?
Der Beginn war holprig, denn ursprünglich sollte die Neuordnung am 1. Juli in Kraft treten, wurde aber in letzter Minute durch Gerichtsbeschluss auf den 1. August 1969 verschoben. Von Anfang an stand die neue Stadt vor einem Stapel ungelöster „Schulaufgaben“. Zwar wurde in Alt-Troisdorf bereits 1961 ein Gymnasium für Jungen und in Sieglar 1964 ein solches für Mädchen gegründet, doch die geradezu explodierenden Schülerzahlen erforderten immer neue An- und Ausbauten. Hinzu kam 1968 die Umwandlung der alten Volksschulen in Grund- und Hauptschulen, für die dann adäquate Schulgebäude fehlten. Zur Linderung des gleichzeitigen Lehrermangels favorisierte das Land deshalb den Bau mehrzügiger Schulzentren.
Der Begriff mehrzügig hört sich mehr nach Bahnhof als nach Schule an. Was ist damit gemeint?
Eine zweizügige Hauptschule hat immer 2 Parallelklassen, insgesamt also 12 und eine dreizügige Realschule somit 18 Klassen. Ein fünfzügiges Schulzentrum lässt sich dann wie ein Verschiebebahnhof für auslaufende und neue Schulformen nutzen. Mit beweglichen oder zerstörbaren Wänden sollten die Unterrichtsräume je nach Bedarf aber auch noch vergrößert oder verkleinert werden können. Hohe Mehrkosten für Einbau und Unterhaltung von Be- und Entlüftungsanlagen waren damit unvermeidlich und trugen zu Engpässen bei der Bewilligung dringend notwendiger Schulbaumaßnahmen bei.
Um den „Schülerberg“ trotzdem bewältigen zu können, wurden provisorische Feldhausklassen - später gerne als Pavillonklassen bezeichnet - aufgestellt und oftmals länger genutzt als geplant. Erst als sich der „Pillenknick“ in der Schülerstatistik widerspiegelte, konnten die Schulen aufatmen.
Was hat es mit dem Pillenknick auf sich?
Nach Markteinführung der Antibabypille gingen die Geburtenzahlen Anfang der 1970er Jahre rasch zurück. Dies wirkte sich mit entsprechender Verspätung natürlich auch auf die Schulen aus. Um den Raumbedarf besser prognostizieren zu können, mussten die Gemeinden Schulentwicklungspläne erstellen und von Zeit zu Zeit überarbeiten. Mit diesem Instrument wurde 2001 übrigens ganz nebenbei festgestellt, dass der Altersdurchschnitt der Bevölkerung kontinuierlich gesunken und unsere Stadt immer „jünger“ geworden war.
Welche Maßnahmen haben Sie in den Jahren danach am meisten beschäftigt?
An erster Stelle stand das Sekundarstufenzentrum in der Edith-Stein-Straße, das mit zwei Turnhallen, einer Dreifach-Sporthalle, Sportplatz, Kleinspielfeldern und einer Stadtbibliothek opulent ausgestattet wurde. Dazu kam als Besonderheit noch eine Mensa mit Küchenräumen für den 1977 stufenweise beginnenden Ganztagsbetrieb. Hier galt es, die komplette Einrichtung zu beschaffen, die Landeszuschüsse abzurechnen und die Schulverpflegung zu organisieren, die konventionell hergestellt und nicht als Tiefkühlkost im Plastikgeschirr angeboten werden sollte.
Gott sei Dank fand sich auch für diesen unter Umwelt- und Gesundheitsaspekten besonders wichtigen Punkt eine gute Lösung. Ein zweites Schulzentrum wurde dann an der Straße Am Bergeracker errichtet, in das zuerst die Hauptschule Oberlar und eine neu gegründete 3. Realschule einzogen. 1988 nahm hier die erste Gesamtschule den Unterricht auf. Auch die kam in den Genuss teurer Ganztagseinrichtungen.
1999 starteten die Städte Bonn und Troisdorf mit großem Erfolg ein bundesweit einmaliges Pilotprojekt zur Einführung eines Schüler-Tickets, das nicht mehr an Schulzeit und Schulweg gebunden war. Dank der starken Nachfrage kam es im Laufe der Zeit erfreulicherweise zu zahlreichen Verbesserungen im Öffentlichen Personennahverkehr.
2002 beteiligte sich die Stadt mit 13 ihrer Schulen an dem vom Land ausgelobten Modellvorhaben "Selbständige Schule". Endlich erhielten Schulen mehr Entscheidungsfreiheit und Flexibilität bei der Bewirtschaftung vorhandener Ressourcen. 2004 wurde gemeinsam mit den Stadtwerken ein automatisches Abrechnungssystem für die Schulverpflegung entwickelt und auch das war deutschlandweit neu.
Was hatten Sie nach der Eröffnung des Bürgerhauses im Jahre 1979 überhaupt noch mit Kultur zu tun? Hatte nicht die damalige Bürgerhaus Troisdorf GmbH den Veranstaltungssektor weitgehend übernommen?
Nein. Dazu muss man wissen, dass im damaligen Schulamt nur ein minimaler Personalanteil für kulturelle Zwecke zur Verfügung stand.
Die Mitarbeiter waren schon mit reinen Verwaltungsaufgaben für die Bibliotheken, Musikschule, Herausgabe der Troisdorfer Jahreshefte, Förderung kultureller Vereine, Abwicklung des Theaterprogramms in Zusammenarbeit mit der Theatergemeinde und das seit 1982 existierende Bilderbuchmuseum ausgelastet. Und gerade in den 1980er und 90er Jahren, die Sie angesprochen haben, mussten Veranstaltungen gestemmt werden, die vorher nicht einmal auf unserer Agenda standen.
Dazu gehörten das 1. Bildhauertreffen 1984, das 1. Fassadenmalertreffen 1986 und der Kunstgang 1987, der im Erwerb der Bronzeplastik "Dicker Mann" gipfelte. Wegen fehlender Haushaltsmittel war der Kaufpreis mit Spenden zu finanzieren. Nicht zu vergessen die Landeskulturtage 1992, in die das 2. Fassadenmalertreffen eingebettet war.
Bei der Eröffnung der Landeskulturtage weihte der damalige Kultusminister des Landes das neue Schmuckstück an der Burg Wissem ein - die Remise. Unter dem Motto "Kultur vor Ort" erlebte Troisdorf zwei musikalische Welturaufführungen und schwamm in einem Meer blau-weißer Fahnen. Mir geht heute noch das Herz auf, wenn ich an die Fülle der Veranstaltungen und die Festtagsstimmung auf den Straßen und Plätzen, in den Räumen und Sälen zurückdenke. Seinen riesigen Erfolg verdankte das Festival auch den dafür zeitlich befristet eingestellten Mitarbeitern und vor allem den zahllosen Menschen in dieser Stadt, die sich unentgeltlich engagiert, fast könnte man sagen „zerrissen“ haben.
Angesichts des überwältigenden Echos keimte insgeheim die Hoffnung auf ein richtiges Kulturamt auf. Aber dieser Traum zerplatzte. Stattdessen wurde der Kulturbereich 1996 verselbständigt.
Bleibt also noch der Sportbereich. Sind Sie selbst sportlich aktiv?
Nur Radfahren. Offiziell wurde der Sport dem Schulamt zwar erst 1993 zugeordnet, faktisch spielte er bei uns aber schon immer eine sehr große Rolle. Ohne die vielen Sporthallen und Sportplätze der Schulen ist Vereinssport, der nur über sehr wenige und meist sehr spezielle Anlagen verfügt, kaum möglich. Es kam darauf an, Einsparpotentiale durch Übertragung von Schlüsselgewalt an Vereine und Beteiligung von Vereinen bei der baulichen Unterhaltung zu nutzen. Außerdem wurden diverse Förderrichtlinien, Benutzungsordnungen und Tarifstrukturen harmonisiert und vereinfacht.
Sehr viel mehr Geduld erforderte dagegen der Bau der Leichtathletikhalle am Gymnasium Zum Altenforst. Wegen der angespannten Finanzlage im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands konnten die beantragten Landeszuschüsse erst Jahre später bewilligt werden. Doch das Warten lohnte sich, denn 1999 konnte eine weit und breit einmalige Halle mit integrierter Stabhochsprunganlage in Betrieb genommen werden. Eine Daueraufgabe bleibt die Unterhaltung und Modernisierung von Sportplatzanlagen - egal, ob es um Austausch von Platzbelägen, energiesparende Flutlichtanlagen oder neue Sanitärräume geht.
Wie waren die Jahre nach 1969 für Sie?
Es war eine aufregende Zeit, in der man die große Chance hatte, nicht nur verwalten, sondern auch mitgestalten zu können. An vorderster Stelle stand das Team des eigenen Amtes, das immer an einem Strang gezogen und mich nie im Stich gelassen hat. Wir alle hätten ohne die hilfsbereiten Kollegen in der Rathausdruckerei und in unserem Botendienst nicht einmal die Sitzungsunterlagen für eine Schulsausschusssitzung vervielfältigen und fristgerecht zustellen können. Jederzeit musste das ganze „Räderwerk Rathaus“ reibungslos funktionieren. Weitere unentbehrliche Voraussetzungen waren Beschlüsse des Rates und seiner Ausschüsse, Unterstützung durch Landesbehörden, wenn es um Genehmigungen und Bewilligungen ging, Kooperation mit Schulen, Vereinen und Verbänden jeglicher Art bis hin zum Kultursekretariat Gütersloh und dergleichen mehr.
Was hat Ihnen am meisten Freude gemacht?
Durch die Neuordnung lernte ich die Frau meines Lebens kennen, die damals im Schulamt der Gemeinde Sieglar beschäftigt war. Als wir dann 1972 heirateten und das erste Ehepaar waren, das sich aus den beiden Behörden kennen- und lieben gelernt hatte, nannte uns der damalige Stadtdirektor Heinz-Bernward Gerhardus - leise lächelnd - gelegentlich „Neuordnungsgeschädigte“. Ach, wenn doch alle Geschädigten so viel Glück hätten wie wir zwei!
24 Jahre lang durfte ich mit Herrn Gerhardus zusammenarbeiten. Er war vor 1969 Gemeindedirektor in Sieglar. Von ihm lernte ich, Ideen auf ihre Machbarkeit hin einzuschätzen, Zeitfenster für die Realisierung von Maßnahmen zu erkennen und einen gerechten Interessenausgleich anzustreben.
Als Beispiel für seine Weitsicht mag die Hallenbau-Gemeinschaft mit den Initialen seines Namens (HBG) dienen, mit der Sporthallen normiert und damit einfacher genehmigt und Zuschüsse schneller bewilligt werden konnten. Obwohl nicht ständig einer Meinung, stellte er sich immer schützend vor „sein Schulamt“.
Wie lautet Ihr Fazit nach 50 Jahren Stadtentwicklung?
Diese Stadt hat sich in nur einem halben Jahrhundert dank der Leistungen ihrer Bürgerinnen und Bürger, Gewerbe- und Industriebetriebe, Schulen, kulturellen Einrichtungen, Vereine und nicht zuletzt der gewählten Organe zu einer überaus bemerkenswerten und liebenswürdigen Mittelstadt gemausert, in der ich sehr gerne lebe. Zum Fazit meines beruflichen Lebens zitiere ich gerne den Schriftsteller Johannes Trojan: „Man braucht nur mit Liebe einer Sache nachzugehen, so gesellt sich das Glück hinzu“.