Die städtische Pressestelle veröffentlicht im Rahmen des Jubiläums 50 Jahre Troisdorf nach der Kommunalen Neuordnung 1969 in loser Folge Interviews zu Entwicklungen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen unserer Stadt. Heute: Die Vereine in der Fußball-Stadt Troisdorf seit 1969.
Matthias Steinlein (75) ist seit 1955 Mitglied, ab 1990 Vorsitzender des SSV Troisdorf 05 und seit 2013 Präsident der Sportfreunde Troisdorf 05 e.V.. Der SSV 05 spielte früher in der Mittelrhein-Fußballliga. Im Jahr 2013 fand die Fusion von SSV 05 mit den Sportfreunden Sieglar 1926 e.V. und dem VfB Troisdorf e.V. statt, die beide schon seit 2002 verbunden waren, zum heutigen Verein Sportfreunde Troisdorf 05 e.V. Beruflich war Steinlein Beamter in der DB Direktion Köln, ab 1994 im Eisenbahn-Bundesamt.
Herr Steinlein, Sie waren ja selbst erfolgreicher Troisdorfer Fußballspieler. Erinnern Sie sich noch an ein besonderes Ereignis in Ihrer aktiven Zeit?
Kurz nach der Kommunalen Neuordnung, 1972 sollten wir zu den Asien-Spielen in Teheran im Iran als deutsche Amateur-Fußballmannschaft reisen. Da war ich 28 Jahre alt und war total gespannt und voller Vorfreude.
Wir waren 20 Spieler der Mittelrhein-Auswahl. Das wurde lange vorbereitet mit Impfungen, Besprechungen, Urlaubsanträgen und so weiter. Und dann wurde es kurzfristig abgesagt wegen Unruhen, die sich gegen den Schah im Iran richteten. Wir waren alle enttäuscht, aber der Fußballverband Mittelrhein hat uns dann 14 Tage Südfrankreich gegönnt, das war ein schöner Ersatz.
Die Sportfreunde Troisdorf sind ja heute der zentrale Fußballverein in unserer Stadt. Wie verläuft das Training?
Politik und Sponsoren wollten mit der Fusion der Troisdorfer Fußballvereine den Troisdorfer Fußball stärken. Die Besprechungen starteten schon 1998 in der Sieglarer Küz. Danach gab es viele heftige Diskussionen in den Vereinen und zunächst fusionierten die Sportfreunde Sieglar mit dem VfB Troisdorf. Später kam der SSV 05 dazu.
Das Training der Sportfreunde ist heute allerdings auf drei Platzanlagen verteilt. Das ist schwierig für ein vernünftiges Vereinsleben. Wir haben das Jugendleistungszentrum in Oberlar, den Breitensport und Alte Herren auf der Heide, Sportplatz Carl-Diem-Straße, und die 1. Mannschaft im Aggerstadion. Da kann kaum eine Bindung zwischen den Abteilungen entstehen.
Die Alten Herren mit ihren 100 Mitgliedern und die Jugendabteilung mit 320 Jugendlichen sind sehr erfolgreich. Wir haben viele Meisterschaften bei den Alten Herren gewonnen. Insgesamt haben die Sportfreunde 22 Mannschaften und 550 Mitglieder.
Wie sah die Lage des Vereins nach der Kommunalen Neuordnung aus?
Anfang der 1970er war der Seniorenbereich auch schon erfolgreich. Einige Spieler schafften sogar den Sprung in den damals sogenannten Vertragsfußball. Das ist heute der Profifußball. Zum Beispiel Wilfried Kohlhaas, Werner Stein, Horst Berg. Aber da wurde bei weitem nicht das verdient was es heute bei den Profis gibt.
Wollten Sie auch Profi-Fußballer werden?
Damals war ich ein junger Mann und habe als Auswahlspieler mit Wolfgang Overath zusammen gespielt. Ich war sieben Jahre lang Stammspieler der Mittelrhein-Auswahl, meine erfolgreichste Zeit. Da hab ich auch viel gefeiert mit Bernd Cullmann vom 1. FC. Damals hatten wir bei Lokalderbys 5000 bis 6000 Zuschauer, da ist ja heute undenkbar. Vertragsangebote habe ich aber abgelehnt.
Erinnern Sie sich noch an ein besonderes Ereignis in den 70er Jahren?
Zur Eröffnung des Aggerstadions 1977 gab es das Spiel gegen die Bolton Wanderers aus Nord West England. Da sprang ein Fallschirmspringer über dem Stadion ab und brachte den Ball.
In den 1970er Jahren gab es nur in den Stadtteilen kleinere Vereine. Später gab es die Gründungen der Fußballvereine ausländischer Einwohner, von Unmutspor, Hellas und Inter. Die hätten vielleicht eher in den bestehenden Vereine eine sportliche Heimat finden und integriert werden müssen.
Gibt es bei den Mannschaften Unterschiede zwischen früher und heute?
Nach und nach gab es zu viele Vereine und zu wenige Sponsoren. Die Spieler werden ja auch immer teurer. Die gehen mit 18 Jahren in die Kreisliga A, wollen ein Grundgehalt, Siegprämie, Auflaufprämie. Bei uns früher gab es 10 Mark auf die Hand und die haben wir anschließend versoffen.
Wir kamen alle aus Troisdorf oder der näheren Umgebung. Man fuhr nicht so viel durch die Gegend. Da gab es viel Kameradschaft und engere Bindungen. Freundschaften sind entstanden. Heute kommen Spieler von weit her, werden hier trainiert und fahren wieder weg und spielen dann auch lieber in ihren Heimatstädten.
In den Stadtteilen hat man noch Verbindung zum Dorf, da kennt man sich, da gibt es Zusammenhalt. Da sitzen nach dem Spiel alle im Vereinslokal zusammen wie in Müllekoven, Bergheim oder auf der Hütte. Auch der 1. FC Spich hat großen Zusammenhalt und die spielen jetzt in der Landesliga.
Was macht Ihnen heute zu schaffen, wenn Sie an den Fußball in der Stadt denken?
In der Bundesliga und den internationalen Ligen geht es meines Erachtens nur noch um Kommerz und das große Geld. Es gehen nur noch wenige Leute ins Stadion in den kleineren Städten und Gemeinden, die gucken lieber sonntags Fußball im Fernsehen.
In den kleinen Stadien nimmt die Gewalt zu, auch gegenüber Schiedsrichtern. Das kann ich nicht nachvollziehen. Respekt und Fairness gehören doch zum Sport dazu. Die Eltern sehen in ihren Kindern manchmal schon die zukünftigen Profi-Fußballer und machen die Jugendlichen immer aggressiver. Die Entwicklung der zunehmenden Respektlosigkeit ist sehr bedenklich.
Wie ist der Zusammenhalt der Fußballvereine in Troisdorf?
Jeder Stadtteil hat inzwischen einen tollen Kunstrasenplatz, aber jeder Verein und jeder Stadtteil arbeitet für sich. Es gibt zwar Stadtmeisterschaften, die der Stadtsportverband SSVT organisiert, aber da ist das Interesse der Vereine nicht wirklich groß.
Schade ist auch, dass die Sportfreunde eine tolle Jugendarbeit machen, eine teure Ausbildung mit guten Trainern für 320 Jugendliche. Das kostet viel Geld und der Jugend-Etat ist wesentlich höher als der für den Seniorenbereich. Aber viele der jungen Spieler gehen wegen des Geldes weg zu anderen Vereinen. Das ist eine Entwicklung, die ich nicht nachvollziehen kann.
Finden Sie noch aktive Sponsoren für Mannschaften und Turniere?
Als Sponsoren haben wir die Stadtwerke und den Flughafen und die unterstützen gerne Jugendturniere. Übrigens: Am 11. Januar 2020 wird in Troisdorf ein großes Fußball Hallenturnier für alle Troisdorfer Fußballvereine in der Rundsporthalle stattfinden. Sponsor ist die Firma Dr. Starck in Siegburg.
Die Stadt hat den Sport seit Jahrzehnten unterstützt. Gibt es noch Probleme?
In der Tat, die Stadt hat die Sportvereine immer unterstützt, die Sportstätten sind alle in Ordnung und modern. Sportplätze werden mit LED Beleuchtung ausgestattet. Aber die Unterhaltungskosten laufen den Vereinen davon.
Meines Erachtens ist das Aggerstadion überlastet, da gibt es zu wenig Umkleiden, zu wenig Anlagen, zu wenig Parkplätze und zum Beispiel das Problem der unterschiedlichen Platzmarkierungen für Fußball und Football. Im Aggerstadion trainieren die Sportfreunde, Unmutspor, Flying Albatros, die Troisdorf Jets und die Troisdorf Leichtathletik Gemeinschaft TLG. Das wird es eng mit Platz und Trainingszeiten.
Ansonsten haben die Sportvereine die gleichen Probleme wie andere Vereine: Für die Vorstandsarbeit findet man keine Nachfolger. Es gibt keinen Nachwuchs für verantwortungsvolle Aufgaben. Wenn dann nur kurze oder sporadische Mitarbeit. Es sind immer dieselben, die die Arbeit machen müssen.