Die in ihrer heutigen Form zusammengefügte Stadt Troisdorf war gerade vier Jahre alt, als Melek Keskin 1973 aus der Türkei nach Deutschland kam. Ihre Eltern – Angehörige der ersten Gastarbeiter-Generation – hatten das Kind aus der alten Heimat nach Deutschland geholt. Melek Keskins späterer Ehemann Nurali Keskin kam 1980 als 15-Jähriger in diese Stadt. Er hatte keine Perspektiven in seiner türkischen Heimat gesehen und zog zu Verwandten, die bereits in Troisdorf lebten. Die Industriestadt im Grünen, wie es damals hieß, zog viele Menschen aus Italien, Griechenland und der Türkei an, die hier in der Produktion Beschäftigung fanden. Die Keskins sind inzwischen selbst Arbeitgeber in Troisdorf. Sie beschäftigen heute 55 Menschen in ihrem Fachbetrieb für Aluminium-Fenster-, -Türen, -Fassaden- und konstruktiven Metallbau, der Keskin GmbH im Gewerbegebiet Spich. Eine Erfolgsstory mit Migrationshintergrund.
Der Standort des Unternehmens am Junkersring beeindruckt: rund 2000 Quadratmeter Hallenfläche und 600 Quadratmeter Büro, rund drei Millionen Euro Investitionssumme, erwirtschaftet im eigenen Betrieb. Die neue Zentrale wurde 2011 eröffnet. In der Produktion finden sich zwei CNC-Doppelgehrungssägen, ein CNC-Bearbeitungszentrum, ein CNC-Profildurchlaufzentrum, eine CNC-Abkantpresse, eine NC-Tafelschere sowie zwei Montagelinien und sechs Fabrication-Data-Center. Das von Nurali und Melek Keskin sowie Sohn Deniz geleitete Familienunternehmen ist NRW-weit hauptsächlich in Großprojekten aktiv. Dazu zählen beispielsweise Kunden wie das Forschungszentrum Jülich sowie das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur in Düsseldorf. In der näheren Umgebung finden sich Keskin-Komponenten am Busbahnhof in Hennef, am Kreishaus in Siegburg oder am neuen RAL-Gebäude in Bonn-Beuel.
Der Weg zum heutigen Erfolg war nicht leicht. Nach der Heirat 1983 musste Geld in den neuen gemeinsamen Haushalt. Nurali Keskin: „Ich ging ohne weitere Ausbildung im Kunststofffensterbaubetrieb Dahm arbeiten, den ich über einen Ferienjob kennengelernt hatte.“ Der Firmenchef erkannte die Talente des angelernten Arbeiters und übertrug ihm zunächst die Sonderteilefertigung, dann die Abteilungsleitung. Bereits 1994 eröffnete Nurali Keskin parallel zu seiner Anstellung beim Fensterbauer Dahm gemeinsam mit seiner Ehefrau ein Montageunternehmen für Bauelemente.
Den Sprung in die vollständige Selbstständigkeit wagte das Ehepaar nach einem Tipp des damaligen Chefs bei der Firma Dahm. Nurali Keskin: „Wir kauften die Produktionsmittel aus der Insolvenzmasse der Hamacher Metallbau. Wir haben dafür unsere gesamten Ersparnisse investiert: rund 200 000 D-Mark.“ Das Unternehmen startete 1998 an der Rotter Viehtrift mit anfangs sechs Mitarbeitern. Der Weg von Kunststofffenstern zum Metallbau war steinig. Zum einen, weil die Verarbeitung und der Einbau von Metallfenstern und anderen metallischen Bauelementen sich stark von Kunststofffenstern unterscheidet. Zum anderen aus finanziellen Gründen: Lieferanten forderten anfangs sehr hohe Preise für Ausgangsmaterialien, Kunden gingen in Konkurs und/oder zahlten ihre Rechnungen nicht. Melek Keskin, die sich auf der Höheren Handelsschule in Siegburg auf ihre kaufmännische Aufgaben im Unternehmen vorbereitet hatte: „Wir waren mit offenen Rechnungen in Größenordnungen von 50 000 bis 100 000 D-Mark konfrontiert und standen einige Male vor großen Problemen.“
Heute arbeitet das Unternehmen hauptsächlich für Großkunden im öffentlichen Bereich. Die Auftragsbücher sind voll. Der Einstieg hier war gleichfalls mit viel Arbeiten verbunden, weil die Vorschriftenkulisse zum Beispiel bei Ausschreibungen hier noch komplizierter ist, als im privaten Bereich.
Seit 2014 ist Sohn Deniz Keskin Mitglied der Geschäftsführung. Er hat an der RWTH Aachen Wirtschaftsingenieurwesen, Fachrichtung Maschinenbau, studiert und dabei praktische Erfahrungen bei Audi Ingolstadt und bei VW in Peking sammeln können. Anders als seine Eltern sei er sorgenfrei aufgewachsen, so Deniz Keskin: „Mir hat es in meiner Jugend an nichts gefehlt. Sämtliche Bildungsmöglichkeiten standen mir offen.“
Bürgermeister Klaus-Werner Jablonski: „Troisdorf ist seit seiner Entstehung in der heutigen Form vor 50 Jahren eine internationale Stadt – und das ist gut so! Das trifft auf die hier vertretenen Unternehmen, aber auch auf die Einwohnerschaft zu. Mehr als jeder Zehnte in Troisdorf ist in einem anderen Land geboren worden. Die Stadt hat einen Migrantenanteil von 11 Prozent. Das Beispiel der Keskins, die Arbeitgeber auch für viele geborene Troisdorfer geworden sind, zeigt, wieviel gute Impulse Zuwanderung haben und was Fleiß und unternehmerische Initiative bewirken können.“