Seit fast 50 Jahren engagiert sich der Vorsitzende des Sieglarer Ortsrings Matthias Esch, Literat der 1. Großen KG, für den Sieglarer Karneval. Zur Prinzenproklamation und Ernennung des Lööre Königs Stephan Römer zum Senator der 1. Großen KG sprach Carsten Seim mit Matthias Esch über dessen Motivation, über Senatoren, Tollitäten, den Wert des Ehrenamtes und seine persönlichen Ziele.
Herr Esch, was bedeutet Karneval für Sie persönlich?
Ich habe sehr früh mit dem Karneval angefangen. Das war 1962. Ich war damals 18, Christian Klein hat mich gefragt, ob ich Mitglied der 1. Großen Karnevalsgesellschaft Sieglar werden möchte. Seit 1968 bin ich Literat und Kassierer der 1. Großen KG.
Warum sind Sie nie Präsident der Gesellschaft geworden?
Ich bin ein Mann, der gern für seinen Verein arbeitet. Ich hatte aber nie das Bedürfnis, Prinz oder Präsident zu werden. Meine größte Freude ist, wenn es läuft.
Wenn Sitzungen sind, sieht man oft, wie Sie an vielen Stellen nach dem Rechten sehen ...
Bis vor zehn Jahren habe ich die Programme der Sitzungen selbst organisiert. Da habe ich immer an der Tür gestanden und darauf geachtet, dass alles wie geplant ablief. Solche Sitzungen sind auf die Minute genau geplant. Heute ist eine Agentur dafür zuständig. Deshalb kann ich nun selbst auch stärker bei der Sitzung dabei sein.
Aber es ist Ihnen dennoch ja sehr wichtig, dass Sieglar in der Session einen Prinzen hat...
Ja, das ist mir sehr wichtig. Karneval braucht diese strahlende Figur. Leider wird es von Jahr zu Jahr immer schwieriger, jemanden für diese wichtige Aufgabe zu finden.
Die Kosten eines Dreigestirns in einer Session sind sehr hoch. Das will ich hier gar nicht verschweigen. Andererseits gibt es viele Förderer des Karnevals, die die Dreigestirne in Sieglar großzügig unterstützen. Wenn sich jemand dafür entscheidet und dafür geeignet ist, dieses wichtige Ehrenamt zu übernehmen, dann kann er mit Unterstützung von vielen Seiten rechnen. Auch ich werde mein Mögliches tun.
1969 waren Sie einmal Adjutant. Wie kam es dazu?
Die Bühnengesellschaft Sieglar hatte seinerzeit das Prinzenpaar gestellt: Wilfried I. und Annemarie. Es fand sich damals kein geeigneter Adjutant, also habe ich das übernommen – für den Ort. Ich schlafe zwar in Oberlar. Aber mein Herz schlägt für Sieglar! Für Sieglar lebe ich. Und für den Karneval!
Sie sind ja auch in der Sieglarer Schützenbruderschaft Sankt Hubertus aktiv.
Seit 1960. Seit 1962 bin ich zweiter Geschäftsführer und seit 1971 Erster Vorsitzender und Brudermeister. Natürlich muss ich in meinem Alter überlegen, auf welche Aufgaben ich mich konzentrieren werde und welche vielleicht auch Jüngere übernehmen sollten. Mit den Jahren ist meine Begeisterung für den Karneval immer noch gewachsen, und vieles spricht dafür, dass ich hier noch lange aktiv sein werde.
Was muss passieren, damit Sie sagen: „Jetzt habe ich ein karnevalistisches Ziel erreicht und bin rundum zufrieden“?
Ich bin froh, wenn alle Sieglarer Vereine gemeinsam einen guten Karneval feiern. Und ich freue mich, dass Sieglar über all die Jahre immer eine Hochburg des Karnevals geblieben ist. Und was passieren muss? Solange ich gesund bleibe, helfe ich dabei weiter mit. Und wenn das mal nicht mehr so ist, muss ich sehen, dass ich einen Nachfolger finde.
Anders gefragt: Was freut Sie in der Rückschau besonders?
Dass wir in Sieglar in der Brauchtumspflege vorangekommen sind. Ich erinnere mich noch an die Schwierigkeiten während meiner Anfangszeit in den 70er-Jahren. Für Veranstaltungen mussten wir ein Zelt aufbauen, denn wir hatten keinen geeigneten Saal im Ort. Das war sehr viel Arbeit. Aber wir wollten das Brauchtum in Sieglar aufrechterhalten. Das haben wir Gott sei Dank auch geschafft.
In den 70er-Jahren lag das ja nicht unbedingt im Trend. Man mühte sich, Hochdeutsch zu sprechen und wollte mit Traditionsvereinen vielfach nichts zu tun haben. Würden Sie mir zustimmen, dass sich das in den letzten Jahren wieder geändert hat?
Ja, auf jeden Fall! Heimat und Brauchtum spielen wieder eine größere Rolle – auch für viele junge Leute. Ein Problem ist der Gegensatz zwischen dem modernen und dem traditionellen kölschen Karneval. Ich persönlich liebe den kölschen Karneval und bemühe mich, das zusammenzuhalten. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich auch mit der Jugend gehen.
Schließt sich das aus, oder muss man nicht versuchen, das eine mit dem anderen zusammenzubringen?
Brauchtum ist immer Gemeinsamkeit. Und ich sehe hier durchaus eine Chance, jung und alt zusammenzubringen – zum Beispiel über Gruppen wie Brings. Die sprechen die jungen Leute an, haben aber auch sehr schöne Lieder, die zum regionalen Brauchtum passen. Die Bläck Föös bleiben ja bei ihrem vielfach eher besinnlichen Repertoire. Sie sind aber damit immer wieder für eine Überraschung gut. So gut wie bei der letzten Herrensitzung habe ich Sie lange nicht mehr gesehen!
„Karneval muss über die Generationen weitergegeben werden.“ Dieses Zitat stammt vom Troisdorfer Bürgermeister Klaus-Werner Jablonski, der ja selber glühender Karnevalist ist. Was sagen Sie zu diesem Zitat?
Wenn es geht, sollte das so sein. Ich habe Gott sei Dank Glück mit meinem Sohn Marco.
Und Ihr Vater Christian Esch?
Er war ein Vereinsmensch, aber nicht so stark im Karneval engagiert sondern vor allem in der Schützenbruderschaft. Er war im Vorstand der Schützenbruderschaft von 1927, seit sich diese 1954 wiedergegründet hatte. Ich habe 1971 das Amt des Brudermeisters übernommen.
Wenn es nicht so stark in der Familie lag: Wie haben Sie Ihre Liebe zum Karneval entdeckt?
Ich hatte immer Spaß am Karneval. Als Kind bin ich mit den Schützen im Rosenmontagszug mitgegangen. 1962 war ich 18 Jahre. Damals kam – wie bereits gesagt – Christian Klein von der 1. Großen KG auf mich zu. So bin ich in den Karneval hineingewachsen. Plötzlich hatten wir bei der KG keinen Literaten mehr: Seitdem bin ich das. Früher wurden die Programme der Veranstaltungen ja alle selbst gemacht. Man hat sich von Pontius zu Pilatus telefoniert. Heute engagieren Agenturen die Kräfte. Alle Veranstaltungen sind minutiös geplant. Die Programme sind von früher zwei auf heute vier Stunden gewachsen. Sie werden 18 Monate im Voraus gemacht. Das habe ich früher allein gemacht. Dann brauchte die KG einen Kassierer. Also habe ich das auch mit übernommen. Und bin glücklich, dass mein Sohn Marco auch dabei ist. Damit ist Karneval bei uns in zweiter Generation eine Familienangelegenheit.
Bei vielen Familien ist das nicht der Fall. Die sechziger und siebziger Jahre mit ihrer Abwendung vom Brauchtum wirken nach ...
Wenn Familien diese Tradition nicht kennen, müssen wir andere Wege gehen, junge Leute wieder an den Karneval heranzuführen. Dafür haben wir unsere Karnevals-Party des Ortsrings Sieglar am Karnevalssamstag in der Küz. Diese Partys haben den Prinzenball ersetzt. Dieser traditionell am Karnevalssamstag veranstaltete Prinzenball ist am Anfang sehr gut gelaufen, doch dann sank der Zuspruch: Die Leute wollten nicht mehr am Tisch sitzen, sie wollten es lockerer haben. Darauf haben wir uns eingestellt. Die Idee zur Karnevals-Party hatte mein Sohn Marco. Die Party für dieses Jahr mit Michael Wendler ist ausgebucht. Mein Alter ist da nicht mehr vertreten. Damit erhalten wir den Karnevalssamstag aufrecht.
Immer wieder wird beklagt, dass sich die Menschen immer weniger ehrenamtlich engagieren wollen. Wie kann man sie fürs Ehrenamt begeistern?
Die Vereinsarbeit hat mir immer großen Spaß gemacht. Derzeit habe ich aber ein wenig Sorge, Jüngere zu bekommen, die etwas tun wollen – als Vorsitzende, Geschäftsführer oder Kassierer. Ich habe auch kein Patentrezept, wie wir den Nachwuchs gewinnen können, den wir brauchen. Die gute Nachricht in unserem Ort ist, dass alle Vereine sehr gut zusammenarbeiten. Zum Rosenmontagszug kommen gerade in Sieglar sehr viele Zuschauer, auch von außerhalb.
Alles konzentriert sich stark auf die Karnevalssession. Wir arbeiten aber auch daran, für mehr Präsenz im ganzen Jahr zu sorgen. Denken Sie an das sehr erfolgreiche Oktoberfest oder an das Konzert mit Tommy Engel im April – beides Veranstaltungen der 1. Großen KG. Beide Veranstaltungen sind eingeschlagen wie eine Bombe und immer wieder ausgebucht. Mir ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass ich das nicht alles alleine mache. Ohne ein zuverlässiges Netzwerk geht hier gar nichts!
Haben Sie Lieblingskräfte im Karneval?
Mir sind so viele ans Herz gewachsen, dass ich hier keinen Einzelnen hervorheben möchte.
Dann schlage ich Ihnen mal die Bläck Föös vor!
Wenn es um Musikgruppen geht, würde ich an erster Stelle die Räuber nennen, dicht gefolgt von den Bläck Föös und den Höhnern. Zu den Räubern habe ich persönlich ein sehr gutes Verhältnis. Die haben ganz sicher dazu beigetragen, dass man im FC-Stadion wieder Kölner Lieder singt, wenn es gut für unsere Mannschaft läuft. Das ist mein Karneval. Ich akzeptiere aber, dass für die Jugend auch Gruppen wie Brings gebraucht werden, vor allem für die jungen Frauen (lacht).
Von seinem Kölner Karneval hat auch der kölsche Schutzmann jüngst in Sieglar gesprochen. Ist er ein Seelenverwandter von Matthias Esch?
Ja! Er sagt mir: „Ich trete lieber in Sieglar auf als im Gürzenich, weil da im Publikum viele sind, die meine Mundart gar nicht mehr verstehen.“ Ich weiß, was er damit meint. Er ist ein Original alten Schlages! Er hat mir versprochen, dass er gern weiter in der Sieglarer Küz auftreten wird, weil man bei uns im Ort die kölsche Mundart noch versteht. Wenn ich so etwas höre, freut mich das sehr! Ich habe in den letzten 40 Jahren ein sehr gutes Verhältnis zu vielen Persönlichkeiten des Kölner Karnevals aufbauen können. Und das ist ganz sicher ein Gewinn, den ich aus meiner ehrenamtlichen Arbeit für das Sieglarer Brauchtum ziehen kann.
Bei der Prunksitzung am Samstag, 14. Februar, wird mein Vereinsfreund Stephan Römer offiziell als neuer Senator der Ersten Großen Karnevalsgesellschaft vorgestellt. Was tut ein Senator der Ersten Großen KG?
Die Idee dazu hatte vor zwei Jahrzehnten unserer früherer Präsident Christian Klein. Ein Senator ist ein Förderer, kein Mitglied der KG. Zu den ersten Senatoren zählten mein Bruder, Josef Rahm und Theo Hauber. Die Senatoren selbst berufen neue Senatoren. Sie tagen wenige Male im Jahr gemeinsam und nehmen an Veranstaltungen der KG teil. Die Ernennung von Stephan Römer erfolgt am Samstag auf der Prunksitzung, bevor der neue Prinz einzieht.
Und warum wurde Stephan Römer berufen?
Weil er sich aktiv ins Ortsleben einbringt und durch seine sympathische Persönlichkeit sehr gut in den Senatoren-Kreis hineinpasst. Über sein Engagement und seine Präsenz vor allem auch als Mitglied der Könige vom Pompe Jupp in Sieglar hat Stephan Römer unter Beweis gestellt, dass er sich ehrenamtlich für die Gemeinschaft engagiert und gute Nachbarschaft lebt. Das ist die Seele des Karnevals! Seine Berufung zum Senator ist damit etwas, worauf auch die Könige vom Pompe Jupp e. V. stolz sein können und sollen. Nur gemeinsam können wir dafür sorgen, dass Sieglar einen so schönen Karneval und ein so lebendiges Brauchtum hat.
Foto: Carsten Seim, Quelle: www.koenige-sieglar.de.