Stazione di Rialto
Skulptur von Victor Bonato
Auf der Bogenbrücke, die sich über die Wilhelmstraße Richtung Bahnhof spannt, befindet sich ein weiteres Werk Victor Bonatos: Stazione di Rialto. Die Arbeit besteht aus zwei zehn Meter langen, gebogenen Eisenbahnschienen und einer Kugel. Mit ihrem einen Ende greifen die Schienen weit über die seitliche Brückenbegrenzung hinaus, bilden dann einen Bogen, der in den Raum des Brückenübergangs hineinführt. Die Krümmung der eisernen Schienen passt sich der Form der wuchtigen Kugel an. Diese ruht auf der Brückenschräge, die zur Fußgängerzone führt. Dem Gesetz der Schwerkraft folgend, müsste die Kugel allmählich Richtung Fußgängerzone davon rollen. Daran wird sie einerseits durch die bereits genannten Eisenbahnschienen gehindert, die die Kugel umschließen. Andererseits sorgt die seitliche Brückenbrüstung für Halt. Gleichsam zwischen Brüstung und Schienen eingeklemmt, bleibt die mächtige Kugel dort, wo sie der Künstler ursprünglich installierte. Die Schwerkraft scheint gebannt, Stabilität der scheinbaren Labilität gewichen.
Dass diese Stabilität fragil ist und leicht „aus der Bahn“ gebracht werden kann, machte Bonato durch seine kontrastierenden Volumen und Formen sichtbar. So fügte der Künstler mit seinen Eisenbahnschienen und der benannten Kugel Rundes und Kantiges in einer Skulptur zusammen. Eine materielle Einheit entsteht dabei nicht, die Einzelelemente bleiben als solche deutlich erkennbar. Gerade hierdurch fällt der Formkontrast sofort ins Auge. Er sorgt für eine ästhetische Spannung und füllt zugleich die Skulptur mit Inhalten, die zum Nachdenken anregen.
Im Volksmund firmiert die von Bonato gestaltete Fußgängerbrücke unter dem Namen „Rialto-Brücke“. Mit dieser Bezeichnung nehmen die Troisdorfer einen eher ironischen Bezug zu dem berühmtesten Brückenbau Venedigs, der aus dem 16. Jahrhundert stammt. Lange Zeit war die Rialto-Brücke die einzige Möglichkeit, den Canale Grande, den größten Kanal der Stadt, trockenen Fußes und ohne den Einsatz von Schiffen zu überqueren. Eine zusätzliche Bedeutung errang sie, indem sie die zwei wichtigsten Zentren Venedigs miteinander verband: San Marco, das politische Zentrum, und Rialto, das Wirtschaftszentrum der Stadt.
In Troisdorf dient die Fußgängerbrücke einerseits als Übergang zur Fußgängerzone, in der sich die Geschäfte aneinander reihen, andererseits als unmittelbare Wegemöglichkeit zur Polizeitstation oder zum Bahnhof. Mit seinem Titel „Stazione di Rialto“ nimmt Victor Bonato auf diese städtische Anordnung deutlich Bezug. Denn tatsächlich bedeutet der italienische Begriff „stazione“ übersetzt „Bahnhof“. Die Schienen und der weiterführende Weg zum Troisdorfer Bahnhof ergeben damit einen logischen Zusammenhang. Zugleich lässt sich „stazione“ durch die Worte „di polizia“ („stazione di polizia“) ergänzen und zu der deutschen Übersetzung „Polizeiwache“ abwandeln.
Eine jede Polizeistation hat eine Kontrollfunktion inne, die darauf angelegt ist, aus den Fugen geratene Kräfte zu bannen und sie wieder in die vorgeschriebenen Bahnen zurückzuführen. Eine der zahlreichen Interpretationsmöglichkeiten ist es, dass Bonato dies durch seine Skulptur bildlich deutlich machte. Die Kugel als Zeichen einer geballten, unbeherrschten Kraft muss sich der Lenkung der Eisenbahnschienen beugen. Die Fußgängerzone bleibt damit von dem gefahrvollen Überrollen der Kugel verschont, da labil Unkontrolliertes in einen sicheren, stabilen Zustand eingefügt ist und dort auch bleibt.