Ort der Erinnerung
Kunstwerk von Victor Bonato
Lange Zeit hegten Repräsentanten der Stadt Troisdorf den Gedanken, eine Gedenkstätte für die nahezu 6.000 Zwangsarbeiter zu errichten, die während des Zweiten Weltkriegs nach Troisdorf verschleppt wurden. Zu den damals Deportierten zählte der inzwischen weltberühmte italienische Drehbuchautor Tonino Guerra (1920). Während seiner Gefangenschaft in Troisdorf schuf Guerra seine ersten Verse in romagnolischer Sprache. Im Jahre 2001 verfasste er ein Gedicht, das – in einen Stein eingraviert und gut lesbar aufgestellt – Zentrum und Ziel der Gedenkstätte in Troisdorf ist. Die Gedenkstätte selbst gestaltete ein Künstler, der sich mehrfach durch seine Skulpturen im öffentlichen Raum in der Stadt Troisdorf verewigte.
Victor Bonato hatte 1994 bereits die Oerlinhauser Synagoge zu einem Gedenk- und Lernraum zum Zweiten Weltkrieg umgestaltet. Motiviert und inspiriert durch das Gedicht Tonino Guerras realisierte der Künstler in und für Troisdorf erneut einen Ort der stillen Einkehr.
Als zentrales Motiv für seinen „Ort der Erinnerung“ wählte Bonato einen Torbogen. Diesen gestaltete er mit fünf formal gleichförmigen Blöcken aus tristgrauem Zimbabwe-Granit. Ohne die Blöcke miteinander zu verbinden, Verbindungsstellen zu kaschieren oder die Maße aufeinander abzustimmen, stellte und legte Bonato die Granitblöcke lose und mit einem Minimum an gestalterischem Bearbeitungsaufwand zusammen. Letzteres trifft auch auf die verzierenden Eingriffe zu. Nur die Vorderseite des Torbogens wurde derart bearbeitet, dass sie Ähnlichkeiten mit den sogenannten Bossenquadern zahlreicher italienischer Bauten aufweist. Der italienischen Herkunft Tonino Guerras ist damit Rechnung getragen.
Insgesamt besticht Bonatos Kunstwerk durch seine enorme Strenge und radikale Schlichtheit. Hinzu tritt der Eindruck von Fragilität, der vor allem dadurch hervorgerufen wird, dass die seitlichen Stützen nicht nebeneinander stehen, sondern versetzt zueinander errichtet wurden. Der Querbalken, der das Tor abschließt, ruht folglich nicht mit seiner vollen Last auf den Stützen. Jeder Durchschreitende wird somit verunsichert, denn man ahnt, dass diese Konstruktion – noch ein wenig mehr aus der Balance gebracht – leicht einstürzen könnte. Dieser vermeintlich konstruktiven Zerbrechlichkeit wohnt zugleich ein dynamisches Moment inne. So scheint sich das Tor zu öffnen und zu schließen, ganz abhängig von dem Blickwinkel, den der Betrachter zum Tor einnimmt.
Lediglich der aus schweren, quadratischen Betonplatten gestaltete Weg führt gerade und unmittelbar über die Rasenfläche des Rathauses, durch das Tor und zu den Verszeilen des Dichters. Der Weg ist das verbindende Element, der nahtlos den Raum vor und hinter dem Tor eint. Das Tor hingegen steht zeichenhaft und symbolträchtig als „Ort des Kommens und Gehens, des Abschiednehmens und des Wiedersehens“, als ein Übergang in eine andere Welt. Wie diese Welt geschaffen ist, davon zeugen die steinernen Trümmer, die im direkten Umfeld des Torbogens aus dem Boden ragen. Ein schwaches Leuchtstoff-Licht verstärkt das tristgraue Ambiente, deutet aber auch darauf hin, das ein „Wegsehen“ hoffentlich zur Vergangenheit deutscher Geschichte zählt.