Hans im Glück
Skulptur von Tor Michael Sönksen
Im Sinne des Glückmärchens spiegelt der „Hans" eher einen Antihelden. Seine Tauschpraxis, bei der er seinen Verdienst, einen ansehnlichen Goldklumpen, verliert und zum guten Schluss mit leeren Händen heimkehrt, scheint in keiner Weise vorteilhaft. Trotzdem ist Hans ein Glücklicher, zufrieden mit sich und der Welt. Dieses Glück, das Hans auszeichnet, erwirbt er, indem er sich von sämtlichen irdischen Gütern befreit und nunmehr unbeschwert das Leben genießt.
Sieben Jahre dauerte es, bis die Skulptur „Hans im Glück" in Troisdorf gestaltet und errichtet werden konnte. Anstoß zu dem Kunstwerk gab ein Gedankenaustausch einer Gruppe von Museumsfreunden, die bemängelte, dass die Burg Wissem, Europas einziges Bilderbuchmuseum, von außen nicht als ein Museum für Kinder zu erkennen war. Ein Wettbewerb wurde ausgeschrieben, den Tor Michael Sönksen mit seiner Figurengruppe „Hans im Glück" für sich entscheiden konnte.
Der Maler und Grafiker Sönksen gestaltete insgesamt sieben Formen aus 8 mm dicken Stahlplatten. Per Laser ließ er die Figurensegmente herausschneiden und die Einzelteile mit abstandhaltenden Bolzen verschweißen. Jede Figur erhielt hierdurch mehrere Schichten, die in ihrer Addition eine subtile plastische Wirkung erzielen. Ohne Sockel stehen diese Skulpturen Sönksens mit tiefen Fundamentstützen fest im Boden verankert. Ihre Bodenständigkeit zeugt von der Moral der Geschichte. Darüber hinaus bestechen die Protagonisten Sönksens durch ihre im Vergleich zur Erzählung nennenswerten Widersprüchlichkeiten.
So ist es sehr auffällig, dass die Einzelfiguren scheinbar wahllos nebeneinander oder hintereinander angeordnet wurden. Der Freiheit der Zuordnung entspricht die Geh- und Handlungsrichtung der Figuren: Der Hans mit Pferd und der Hans mit Schleifstein sind beispielsweise nach links orientiert, jener mit Kuh und jener mit Gans nach rechts. Schließlich bleibt zu erwähnen, dass auch die Größen der skulpierten Figuren unterschiedlich sind. Während der knieende Hans der vordersten Reihe eine optische Höhe von 0,99 Meter aufweist, zeigen jene mit Pferd und Kuh in der dritten Reihe Größen von 1,86 Meter bzw. 1,90 Meter.
Szenisch hat Tor Michael Sönksen seine Skulpturengruppe aufgebaut. Sie bildet eine Kulisse, die Raum gibt, um die Handlung des Märchens „Hans im Glück" durchzuspielen. Die im Vergleich zum Inhalt erfolgten, künstlerischen Änderungen haben dabei zweierlei zum Ziel: Dynamik und Spannung in die Figurengruppe hineinzubringen. Diese Spannung erfährt ihren Höhepunkt mit der äußerst rechten Figur. Sie liegt als Umriss, als Negativform, auf dem Boden. Der hier dargestellte Hans hat sich gleichsam ins „Nichts" aufgelöst und sich damit jedem materiellen Zwang entbunden.
Alle weiteren „Hans-Darstellungen" weisen die typische Gestaltungsart Tor Michael Sönksens auf. Erdbraun angemalt, besticht die „Hans-Figur" durch ein abweisend wirkendes, T-förmiges Augen-Nasengerüst. Nach der eigenen Aussage des Künstlers spiegelt sich menschliches Verhalten am ehesten in Gesichtern. Sind diese leer, gilt dies als Synonym für eine Welt, in der das „Hin-Sehen", das „Zu-Hören" und das „Wahr-Sagen" verloren gegangen sind. Der Betrachter ist in diese kritische Weltsicht eingeschlossen, denn die Anonymität der dargestellten Köpfe bezeichnet niemanden persönlich und verweist zugleich auf einen jeden von uns. Umzudeuten ist diese Interpretation auf das Märchen „Hans im Glück", das mit seiner Moral auch auf uns zutreffend sein kann.