Hand und Fuß
Skulptur von Ernst-Reinhart Böhlig
Finger und Zehen, die ineinander greifen. Der Bildhauer Ernst-Reinhart Böhlig stellte sich bei seiner Skulptur „Hand und Fuß" vor, dass ein Baby, mit sich und der Welt zufrieden, wohlig seinen dicken Zeh umfasst. Diesen Moment verewigte Böhlig in seinem Stein in vielfacher Vergrößerung.
Es gehört zu den künstlerischen Eigenarten Böhligs, ohne Modell zu arbeiten. Unter Verzicht auf die akademischen Vorstellungen von Entwurf, Modell und Ausführung bringt der Künstler direkt und ohne Umschweife seine Vorstellungen in den Stein ein. Diese unmittelbare Methode, Kunst zu verwirklichen, birgt Risiken. Denn weder der Künstler noch der Auftraggeber wissen im vorhinein, wie das künstlerische Ergebnis in seiner Gesamtheit aussehen und wirken wird. Statt dessen verlässt sich Ernst-Reinhart Böhlig ganz und gar auf seine Vision im Kopf, die Geschicklichkeit seiner Hände und seine große Routine im Umgang mit dem Stein. Den Stein selbst betrachtet Böhlig nicht frei von inneren Konflikten. „Am liebsten würde ich die Steine so lassen, wie sie sind. Aber als Bildhauer habe ich eine inhaltliche Forderung zu erfüllen", erläuterte er einst. Tatsächlich möchte der Künstler beides: Die ursprüngliche Schönheit des Steins erhalten und zugleich seine künstlerische Vision erfüllen. Die Verbindung aus beidem hat einen eigenen ästhetischen Reiz, der auch in der Troisdorfer Arbeit „Hand und Fuß" offensichtlich wird.
So sind in der genannten Skulptur noch die eindeutigen Strukturen des Kalksandsteins vorhanden. Auch die Bohrspuren, die beim Heraussprengen des Steins entstanden sind, sind ebenso präsent wie die ersten großen Schläge mit dem Presslufthammer. Aus diesen sichtbaren Arbeitsvorgängen wird allmählich die figürliche Gestalt ausschnitthaft erkennbar. Finger werden ebenso sichtbar wie die fünf Zehen, die bis zu den Nägeln ausgearbeitet sind.
Hände und Füße, aber auch Gesichter bezeichnet Böhlig als „Antennen", die den gleichen architektonischen Prinzipien folgen wie die gesamte Anatomie des menschlichen Körpers. Die Gestik und Mimik von Hand, Fuß und Gesicht reichen damit aus, innere menschliche Zustände wie Angst, Wut, Geborgenheit oder Not zum Ausdruck zu bringen. In Stein veranschaulicht, treten diese inneren Zustände in ein Wechselspiel von „Mensch und Materie". Versteinerte Pantomime oder zu Stein gewordene Momentaufnahmen der menschlichen Psyche sind die Folge.
In Troisdorf entschied sich der Künstler Böhlig für die Darstellung eines positiven Gefühls. Das Wohlgefühl eines Babys, das mit den Zehen spielt, ist kaum zu übertreffen, um vorteilhaft Bejahendes beim Betrachter hervorzurufen und in den öffentlichen, städtischen Raum einzubeziehen. Doch um nicht ins bloß Naive abzugleiten, bricht Böhlig sein Thema auf und schafft hierdurch interpretatorische Freiräume. So steht die zu veranschaulichende Zufriedenheit und Ruhe eines Kleinstkindes in starkem Gegensatz zu der Kraft und der Kreativität des Künstlers, die durch die grobe Bearbeitung des Steins und die damit verbundene Veranschaulichung des Arbeitsprozesses deutlich werden. Auch die Größe der Skulptur zeigt eher surreale Züge und verweist auf die reale Traumwelt eines Giorgio de Chirico (1888-1978).