Blick nach Innen
Blick nach Innen
Skulptur von Selvino Cavezza
Cavezzas Skulptur „Blick nach innen“ stellt einen Rückgriff auf seine künstlerische Phase der 60er und 70er Jahre dar. Es handelt sich dabei um die skulpturale Gestaltung des menschlichen Körpers durch geschlossene, in sich ruhende Formen, deren ausdruckvolle Kraft den Betrachter in den Bann zieht.
Beides, Ruhe und Expressivität, erreicht Cavezza durch runde, reduzierte Formelemente: Der Kopf wird zur ovalrunden Kugel, die Arme zu einem blockhaften, undifferenzierten Ganzen. Kopf und Arme bilden eine Achse. Die Beine hingegen sind fächerartig zwischen Körper und Arme hindurch geschoben, sodass sie jenseits der eigentlichen Armachse ruhen. Diese unnatürliche Haltung hat eine hohe Körperspannung zur Folge, die vor allem in dem langen, gewundenen Rücken nachvollziehbar wird. Wie ein bis zum Anschlag gespannter Bogen verbindet er die Gliedmaßen miteinander, wobei er sich kunstvoll um seine eigene Achse dreht.
Mit seiner Körperwindung, seiner augenscheinlich überlängten und damit in seinen Proportionen nicht ganz stimmigen Physiognomie erinnert Cavezzas Skulptur an plastische Gestaltungen des Manierismus. In dieser Stilepoche des 16. Jahrhunderts wurde die angespannte Körperhaltung zum Ausdruck innerer Unruhe, Inbrunst oder sogar Weltverneinung. Spitz zulaufende Gliedmaßen, eine mangelnde Bodenhaftung oder plastisch nicht voll gerundete Figuren akzentuierten diesen Eindruck. Vor allem Letzteres trifft bei Cavezza nicht zu.
Sowohl im Grund- als auch im Aufriss beschreibt die Skulptur Cavezzas Kreise. Abgewinkelt und halbrund ruht das rechte Bein der Skulptur auf dem Steinsockel. Die Kreisbewegung setzt sich mit dem Gesäß fort und schließt mit der linken Hüfte und den umfassenden Händen und Armen ab. Das zweite Rund beginnt mit den fächerartig angeordneten Beinen, wird von der rechten Schulter und dem Kopf des Skulpierten fortgesetzt, um schließlich über die Schulter der linken Seite und die Armachse abzugleiten. Grundsätzlich gilt: Kreisformen sind in sich geschlossene Formen. Dies träfe auch auf das Werk Cavezzas zu, wäre da nicht der Hohlraum, der sich zwischen Körper und Gliedmaßen ausbreitet. Behutsam wird er in den Formverlauf eingeführt. Durch ihn gelingt es dem Künstler, den Außenraum in die Skulptur einzubinden.
Gerade mit dieser Durchdringung von Außen und Innen schafft Selvino Cavezza einen stilistischen Bezug zu seiner früheren Skulptur „Mutter und Kind & Das Leben“, die 1984 ebenfalls für die Stadt Troisdorf gestaltet wurde. Doch auch Bezüge zu Werken Henry Moores (1898-1986) sind deutlich. Vor allem in den 30er Jahren gestaltete der international renommierte Künstler überdimensionale, mit Hohlräumen versehene, menschliche Gestalten, die sich durch ihre Formgebungen in die Landschaft einbetteten, diese aber auch abbildeten. Moore sagte dazu: „Man kann im Bild der menschlichen Figur zugleich Außermenschliches ausdrücken, etwa Landschaft...“. Eines der hehren Ziele Cavezzas ist es, das Eingebundensein des Menschen in die Natur wiederzugeben. „Der Blick nach innen“ mag sich dieser Suche widmen. Doch ist es eine Suche, die für den Künstler wohl eher von Trauer und Verzweiflung als von Freude und Glück begleitet wird.