Hier finden Sie frühere Beiträge aus dem Museum
Deutscher Jugendliteraturpreis 2024 - Nominierungen in der Kategorie Bilderbuch
Jedes Jahr im Frühjahr gibt der Arbeitskreis für Jugendliteratur die Nominierungen für den deutschen Jugendliteraturpreis bekannt. Im Herbst findet auf der Frankfurter Buchmesse die Preisverleihung statt.
Aus der Jurybegründung:
Bär ist nicht allein, er spielt Klavier für die Tiere des Waldes. Als er müde wird, fordern sie begierig: „Mehr!“ Bär gerät in innere Konflikte und fährt schließlich mit Bärengebrüll aus der Haut. Einzig das Zebra bleibt sanft und geduldig bei ihm. Aber ist es das, was Bär braucht? Will er nicht einfach allein sein? Die Lösung des Dilemmas findet sich im direkten und übertragenen Sinne „im Buch“.
Die Waldwelt, die Jeska Verstegen mit ihren Bildern entstehen lässt, lädt zum entdeckenden Verweilen ein. Die Formen der Tierarten und Figuren werden vielfach und detailreich variiert. Punktuell wird die in Schwarz, Grau und Weiß gehaltene Bildsprache durch akzentuierenden Einsatz der Farbe Rot ergänzt. Blüten und Blätter, Schmetterlingsflügel, die Sonne oder einzelne Tiere werden rot hervorgehoben – und immer das Buch des Zebras. Größe, Hintergründe und Zeilenabstände lassen die Typografie zum miterzählenden Element werden, das nicht nur das Bärengebrüll zeichengewaltig in Szene setzt.
Aus der Jurybegründung:
Vor farbenprächtiger Internatskulisse entfaltet Der erste Schritt eine Parabel über eine Revolte gegen Begrenzungen und soziale Ungleichheit. Die in Frage zu stellende Ordnung bewacht eine Vorsteherin, die mit dem hintersinnigen Wort „Schäfin“ bezeichnet ist. In Gestalt eines Hundes und mit Trillerpfeife gibt sie einer Kinderschar vor, was zu tun ist. Markantes Symbol der Willkür ist eine das Gelände begrenzende weiße Linie, die nicht zu überschreiten ist. Obwohl alle Kinder Topfhaarschnitt tragen, unterscheiden sie sich maßgeblich. Die Privilegierten in blauen Roben dürfen lernen, spielen und ruhen, während die mit schmutziggrauen Kitteln zu Bediensteten Erklärten dienen, putzen und räumen müssen. Nach und nach verliert die kindliche Erzählerfigur den in der Übersetzung von Jana Hemer gut getroffenen lakonischen „So-ist-es-eben“-Ton ihres Berichts. Die Brutalität der Verhältnisse wird erkannt und Veränderung eingeleitet. Auf einen Rollentausch folgen weitere Macht auflösende Taten der Kinder. Sie bringen die „Schäfin“ an den Rand der Erschöpfung und die Kinder – endlich – über die Linie.
Aus der Jurybegründung:
Es ist die Erzählung einer hintergründig-phantastischen Leugnung, die Donna Lambo-Weidner und Carla Haslbauer hier entfalten. Die spielfreudige Geschichte ist angelegt auf Interaktionen wie Drehen, Schütteln sowie Entdecken der Widersprüchlichkeit zwischen Text und Bild. Sie feiert die überbordende Kraft der Phantasie und nutzt das Bilderbuch in seiner ganzen Materialität für das Auserzählen eines fröhlichen Versteck- und Entdeckungsspiels.
In den mit dynamischen Farbstiftstrichen gezeichneten, großformatigen, bunten Bildern gibt es viel aufzuspüren und zu ergründen: Ein von erfindungsreichen Kindern angerichtetes Spielchaos beherrscht alle Räume eines von vielfältigem Miteinander kündenden Mehrfamilienhauses. Nebst leuchtend orangefarbigen Drachen, von denen entgegen der Titel-Ansage auf jeder Seite mindestens einer zu finden ist, sind hierin zahlreiche Elemente und Details kindlicher Erfahrungswelt aufgehoben. Die vielen Fragen des von Elena Rittinghausen übersetzten Textes fordern die Widerlegung der Abwesenheitsbehauptung immer aufs Neue frisch und augenzwinkernd heraus. Ein metafiktionales Buch-im-Buch-Spiel, bei dem es schließlich sogar eine Menge unterschiedlicher Drachen regnet, ist gut begreifbar in dieses Entdeckungs- und Widerlegungsabenteuer eingebunden.
Aus der Jurybegründung:
Die koreanische Künstlerin Baek Hee Na lässt in Mondeis eine moderne Märchenwelt entstehen. In einer heißen Sommernacht beginnt der Mond zu schmelzen. Lediglich Oma Holle bemerkt das Tropfen und fängt den wertvollen Mondschmelz auf. Als die allüberall surrenden Ventilatoren die Stromversorgung ihres großen Mehrfamilienhauses zum Erliegen bringen, führt das Leuchten des Mondschmelzes die Bewohner:innen zu Oma Holle, die diesen solidarisch teilt. Kurz darauf tauchen zwei Mondhüter auf und beklagen den Verlust ihres Lebensraums. Oma Holle erschrickt über die Wirkung ihres Handelns und findet einen kreativ-phantasievollen Weg, um den Mond wieder an den Himmel zu zaubern.
Der märchenhaft-zarte Charme der Erzählung wird durch die experimentellen Illustrationen anmutig unterstrichen. Vor dem Hintergrund einer dreidimensionalen, puppenstubenhaften Mehrfamilienhauskulisse agieren bleistiftgezeichnete, zweidimensionale Tierfiguren aus Papier mit wirkungsstarker Gestik und Mimik.
Aus der Jurybegründung:
Farbenfroh collagierte Vögel unterhalten sich mit schlichten Worten über einen toten Gefährten. Zunächst stellt sich die Frage, ob er wirklich tot ist oder bloß schläft. Es folgen Trauer und ein kleiner Streit über gute und schlechte Erinnerungen an den Toten. Auf seiner Beerdigung wird mit Gesang und Reden Abschied von ihm genommen. Danach suchen die Hinterbliebenen beim Verzehr von Würmern und Kuchen Trost, finden diesen aber auch in der Erkenntnis, dass der Verstorbene für immer in ihren Herzen bleiben wird.
Verschiedene Zugänge zum Thema Tod werden neutral und zugleich mit viel Humor veranschaulicht. Die Vogelfiguren sind in einem Patchwork aus Stoff und bemalten Papierfetzen individuell gestaltet.
Aus der Jurybegründung:
Mượn Thị Văn erzählt in nur 13 kurzen Sätzen von der Fluchterfahrung ihrer Familie aus Südvietnam. Sie tut dies, indem sie Dingen und Phänomenen der Fluchtumgebung personifizierende Wünsche zuschreibt. Die Tasche, die Uhr, der Pfad, das Boot, die See … Sie alle würden gerne der Flucht die Bedrohlichkeit nehmen. Victo Ngai hat die hohe poetische Verdichtung der prägnanten Sätze in farbstarken Bildern eindrücklich verstärkt. Die Reduzierung auf Exemplarisches und Wesentliches, die die Text- und Bildsprache gleichermaßen prägt, lässt mit zugänglicher Direktheit das Ausgeliefertsein von Menschen auf der Flucht erfahrbar werden.
Was die 16 Doppelseiten des Bilderbuchs über die Erlebnisse eines Kindes erzählen, das mit seiner Mutter und zwei jüngeren Geschwistern sein Zuhause verlassen muss, bekommt eine raum- und zeitübergreifende universelle Dimension, die für Erwachsene und Kinder gleichermaßen berührend ist. Großvater und Hund müssen zurückgelassen werden, die Gefahren der Reise sind lebensbedrohlich, aber die Kraft des Wünschens trägt, bis helfende Hände da sind.
Wir wünschen allen Nominierungen viel Erfolg!
Das Team vom Museum wünscht schöne Feiertage und ein frohes neues Jahr!
Verleihung des Troisdorfer Bilderbuchpreis 2023
Seit fast 40 Jahren vergibt das Bilderbuchmuseum den Troisdorfer Bilderbuchpreis. Er ist der einzige deutsche Preis, der speziell Illustrationen zu Kinderbüchern auszeichnet. Er würdigt alle zwei Jahre herausragende Leistungen auf dem Gebiet der künstlerischen Bilderbuchillustration.
Alle zwei Jahre wählt eine unabhängige Jury aus allen Einsendungen die Preisträger aus. Nach der Ermittlung der Preisträger werden deren Arbeiten sowie eine repräsentative Auswahl aus allen Einsendungen in einer begleitenden Ausstellung der Öffentlichkeit vorgestellt. So wird ein vielschichtiges und abwechslungsreiches Bild aktueller Bilderbuchproduktion im deutschsprachigen Raum vermittelt.
Den ersten Preis gewann Sabine Kranz für ihre Illustrationen zum Buch "In meinem Rucksack wohnt ein Tiger" (Text: Uwe-Michael Gutzschhahn, Fischer, 2022). Den zweiten Preis vergab die Jury an die Illustratorin Susanne Straßer für „Wenn Gott ein Kaninchen wäre“ (Herder, 2022). Den dritten Preis erhielt Bernd Mölck-Tassel für seine Illustrationen zum Buch „Wir Menschen“ (Text: Dieter Böge, Jacoby & Stuart, 2021). Der Förderpreis ging an Nina Maria Drangmeister für ihre Illustrationen zu Rainer Maria Rilkes Gedicht "Der Panther".
Die unabhängige Kinderjury, die sich aus Drittklässlern Troisdorfer Grundschulen zusammensetzte, wählte als ihren Favoriten das Buch „Was macht ihr denn da?“ von Alexandra Prischedko (Edition Bracklo, 2022).
Am 02.09.2023 fand die Preisverleihung statt. Bis zum 29. Oktober finden Sie alle Preisträgerbilder und Einreichungen in unserer Ausstellung im Bilderbuchmuseum.
Zum 100. Geburtstag von Nikolaus Plump
Seit fast 40 Jahren verwaltet und betreut das Bilderbuchmuseum den Nachlass von Nikolaus Plump, der 1980 viel zu früh gestorben ist. Geboren 1923, begann er seine künstlerische Laufbahn Ende 1949 mit ersten Illustrationen für Zeitschriften; schon bald folgten Aufträge für Buchillustrationen. Ab 1951 arbeitete Nikolaus Plump als selbstständiger Illustrator und Werbegrafiker. In den 1950er und 1960er Jahren entstanden die meisten seiner Werke. Bekanntheit erlangten insbesondere Plumps zahlreiche Buchumschläge für die Jugendromane wie Fünf Freunde und Die Schwarze 7 von Enid Blyton. Auch seine Illustrationen zu Märchenbüchern erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit, dazu gehören Grimms und Andersens Märchen, aber auch Die Schildbürger, Der Riesenstuhl sowie Wickie und die starken Männer.
Mehrfach wurde Nikolaus Plump in die Auswahl für den Deutschen Jugendliteraturpreis aufgenommen, unter anderem für Grimms Märchen, das Buch Magellan und Die Irrfahrt der Santa Maria.
Am 9. August 2023 wäre der Künstler 100 Jahre alt geworden.
Bücher zum Einschlafen und Träumen
Traumhaft und zum Träumen präsentieren sich diese beiden Bücher: Was macht die Nacht? mit zauberhaften Illustrationen von Stella Dreis (Text: Dirk Gieselmann) und Nachts im Traum mit ebensolchen von Sonja Danowski.
Wie gemütlich es ist
in meinem Bett zu liegen,
weich und warm.Ich schließe die Augen,
um Dinge zu sehen,
die sonst niemand sieht.Mit modernen Haikus entführt Sonja Danowski in die Traumabenteuer von Kindern und am Ende steht die Frage: „Und was träumst du heute Nacht?“ – eine Aufforderung, sein eigenes „Traumdrehbuch“ zu wählen. Besonders überzeugend sind aber die großformatigen Traum-Illustrationen, die für sich selbst sprechen.
Was macht die Nacht? wählt einen ganz anderen Ansatz: Als die Tochter um acht Uhr am Abend ins Bett soll, löchert sie ihren Vater: „Was ich dich schon immer mal fragen wollte.....[...] Was passiert eigentlich, wenn ich schlafe?“ Der Vater antwortet geduldig. Aber statt eines neutralen Berichtes über das Verhalten der Tiere bei Nacht oder eines naturwissenschaftlichen Ansatzes, hat er andere Beispiele im Gepäck. „Um elf Uhr, wenn du so fest schläfst wie noch nie, wird jemand Weltmeister im Spazierengehen, hört die Nachtigall ihre Lieblingsschallplatte, heult die Alarmanlage nach ihrer Mutter....“
Nach jeder, durch den Vater erzählerisch skizzierten Stundengeschichte, horcht die Tochter nach: „UND DANN?“ Und weiter geht es mit den kreativen Ideen: "... hebt der Kran ganz sacht die Pakete mit den Träumen in alle Kinderzimmer, fahren der Nachtwächter und der Einbrecher gemeinsam zur Arbeit.....“Deutscher Jugendliteraturpreis 2023 - Die Nominierungen im Bereich Bilderbuch
Jedes Jahr im Frühjahr werden die Nominierungen für den deutschen Jugendliteraturpreis veröffentlicht und im Herbst auf der Buchmesse in Frankfurt werden die Momos vergeben. Hier sind die Nominierungen 2023 im Bereich Bilderbuch samt Auszügen aus den Jurybegründungen:
Benjamin Gottwald (Illustration & Text)
Spinne spielt Klavier
Spinne spielt Klavier ist ein nahezu textloses Bilderbuch mit hohem Aufforderungscharakter, bei dem Lesende selbst Töne produzieren sollen. Kräftig-bunte Bilder im Comic-Stil zeigen Dinge und Figuren in Situationen, die mit Geräuschen einhergehen. „Mach die Geräusche einfach nach“, fordert Benjamin Gottwald eingangs auf und fragt: „Kannst du hören, was du siehst?“ Mag dies bei den ersten Bildern noch einfach gelingen, entwickelt das Bilderbuch auf 160 Bildseiten immer skurrilere und komplexere Szenen. Manche Doppelseiten stellen Geräusche einander gegenüber, die sich ähneln, aber in ganz unterschiedlichen Situationen entstehen. Das Trappeln von Pferdehufen klingt fast genauso wie das Auftreffen eines Tischtennisballs auf dem Schläger; der Kuss zweier Liebender klingt wie das Ansaugen einer gekochten Spaghetti. Andere Doppelseiten entfalten kleine Erzählzusammenhänge und spielen auf kreative Weise mit dem Potenzial von Geräuschen und Situationen.
Chris Naylor-Ballestros (Illustration und Text) Hanna Schmitz (Übersetzung)
Frank und Bert
Fuchs Frank und Bär Bert sind beste Freunde; sie verbindet unter anderem eine große Begeisterung für das Versteckspiel. Das erfahren die Lesenden vom Ich-Erzähler Frank, der sie mitnimmt in eine ebenso lustige wie bedeutungstiefe Spielerfahrung: Wenn der große, flauschige Bert sich versteckt, findet Frank ihn immer. Sogar das extra lange Zählen bis Hundert, bevor die Suche losgeht, ändert daran nichts. Eine sich aufrollende, neon-pinke Wollfadenspur von Berts Schal, die sich durch die gesamte Geschichte zieht, führt Frank zu seinem Freund. Der kauert unbeholfen in einer Felsspalte. Franks Freude über den Sieg aber ist von allerkürzester Dauer. Zwischen zwei Doppelseiten schlägt sie um in tiefe, mitfühlende Nachdenklichkeit. Damit auch Bert sich einmal freuen kann, gibt Frank ihm die Chance, als Gewinner aus dem Versteck zu springen. Seelig lächelnd schmiegen die beiden sich aneinander.
Mit diesem Bild könnte die Geschichte, die von Empathie, Selbstlosigkeit und Gewinnen(lassen) erzählt, enden. Dass sie es nicht tut, sondern in gelungenem Twist die Verhältnisse umkehrt und ausgleicht, macht den ganz besonderen Reiz dieser witzig-warmen Bilderbucherzählung aus.
Matt Hunt (Illustration) Caspar Salmon (Text) Uwe-Michael Gutzschhahn (Übersetzung)
Wie man bis eins zählt
Dass Wie man bis eins zählt innerhalb des Genres Zählbuch etwas Besonderes ist, deutet sich bereits im Untertitel an. Die Warnung: „Und fang erst gar nicht mit größeren Zahlen an!“, ist Programm. In verschmitzter Unterforderungsgeste verlangt der Erzähler auf allen Doppelseiten das Zählen bis eins. Zu sehen ist zunächst ein roter Apfel auf weißem Grund. Es folgt ein grauer Elefant. Noch ist die Zählsituation klar. Aber dann wird es seitenfüllend bunter, gegenständlich komplexer und immer wieder auch skurril. Zu sehen sind etwa zwei große blaue Wale, aber gezählt werden darf nur das Würstchen auf der Fontäne des einen – woher das Würstchen kommt, wird nicht erklärt. Vielmehr geht es nun um das Spiel, um den Bruch mit Erwartungen. Es ist der Reiz des Verbotenen, von dem eine erzählerisch raffinierte Animation zum Zählen ausgeht.
Humorvoll wiederholt der Text in immer neuen Wendungen, dass keinesfalls weiter als bis eins gezählt werden darf. Zugleich ist die Paradoxie dieses Verbots offensichtlich, denn auf jeder einzelnen der farbenfrohen Doppelseiten ergreift der vorauseilende Blick spontan Zählbares in zunehmend größeren Mengen. Für die Verschmitztheit des Erzähltons in direkter Leser*innenansprache findet die Übersetzung von Uwe-Michael Gutzschhahn Wörter und Sätze, die die spielerische Gesamtanlage aufs Beste unterstreichen.
Anke Kuhl (Illustration) Oren Lavie (Text) Mathias Jeschke (Übersetzung)
Konrad Kröterich und die Suche nach der allerschönsten Umarmung der Welt
Konrad Kröterich ist eine skurrile Figur. Er ist liebenswert und lädt zur Identifikation ein, aber er ist auch selbstverliebt und fordert distanzierte Betrachtung heraus. In bester Weise bewegt begleiten Lesende ihn auf seiner „Suche nach der allerschönsten Umarmung“.
Anke Kuhl setzt Begegnungen mit Giraffe, Goldfisch, Känguru, Kuh und weiteren Tieren variantenreich in Szene. Nach insgesamt 16 Umarmungen, die in mehreren Comic-Panels beschrieben oder in knappen, schnell gereihten Einzelszenen gezeigt werden, schaltet Konrad eine Zeitungsannonce. Was die Bilder bis dahin zeigten, hat der Text pointiert: Keine der Umarmungen war vollkommen. Für das Umarmungstreffen im Stadtpark stehen die Tiere schließlich in einer den Bildrand sprengenden Schlange an. Der perfektionsbesessene Konrad wird immer unzufriedener, bis er schließlich von seinem sprichwörtlichen Podest stürzt. In den Trostumarmungen der zuvor zurückgestoßenen Tiere findet er endlich das gesuchte Umarmungsglück.
Die Fülle der Umarmungen und die großgemeinschaftliche Zugewandtheit der Tiere tun gut. Dabei zeigen Text und Bild mit viel Witz auch, dass nicht jede Umarmung als angenehm empfunden werden muss.
Julie Völk (Illustration) Bettina Obrecht (Text)
Wie anders ist alt
Ein Quartett aus Großmutter, zwei Kindern und Hund macht einen Ausflug in den Freizeitpark und endet eng aneinander gekuschelt auf einer Bank. In aquarellierten Buntstiftzeichnungen erzählt Julie Völk diese kleine Episodengeschichte. Begleitet wird sie von einem Text, der der Großmutter das Wort gibt, ausgehend von der Frage des Kindes: „Oma, wie ist das, alt zu sein?“. Jeder bildlich dargestellten Szene fügen die Textzeilen von Bettina Obrecht eine Reflexion über den Vergleich des Alt- und Jung-Seins bei. Ganz nah beieinander liegen die Lebensgefühle bei der Freude am Lachen, der Lust am Tanzen, dem Genuss am Austausch mit Freunden und den körperlichen Unzulänglichkeiten.
Durchaus unterschiedlich sind sie beim Zeitempfinden und beim Träumen. Zusätzliche Tiefe bekommen die Antworten der Großmutter durch nur in roten Umrissen gezeichnete Gestalten in den Bildern. Diese sind auf jeder Doppelseite dabei und werden – so vermitteln es Gestik und Mimik – nur von der Großmutter wahrgenommen. Sie erweitern die farbenfrohe Gegenwart der Alltagssituationen um die erinnerte Vergangenheit der Großmutter. Der Gedanke ans eigene Lebensende, der zu einem vollständigen Bild vom Altern gehört, wird ebenso unaufgeregt wie zart ins Bild gesetzt.
Wie anders ist alt ist ein generationenvermittelndes Gesprächsangebot. Eine anregungsreiche Einladung zum Philosophieren und zum Austausch.
Michael Roher (Illustration) Heinz Janisch (Text)
Schneelöwe
Schneelöwe entfaltet die poetisch-metaphorische Idee des inneren Wesens. „Ich bin ein weißer Schneelöwe“, verkündet ein kindlicher Ich-Erzähler zu Beginn des Buches und lädt die Lesenden ein, nach- und mitzuvollziehen, was es bedeutet, außen ein Kind und innen ein Tier zu sein. Das Schneelöwen-Ich des Erzählers bewegt sich geschmeidig durch Räume, hört die leisesten Töne und kann – wenn Unrecht geschieht – gefährlich knurren. So wie dem jungen Erzähler der Schneelöwe zum Spiegelbild und zur Projektionsfläche des Selbst wird, spricht er auch allen anderen Menschen innere Tiere zu. Werden sie entdeckt und in ihrer Vielschichtigkeit wahrgenommen, erhalten Selbst- und Fremdsicht neue Dimensionen und achtsame Tiefen.
Die direkte Ansprache der Lesenden verleiht dem leicht fließenden Text Nähe und Vertrautheit. Wo er Fragen stellt und Geheimnisse andeutet, schlagen die ganz in Blau-Weiß gehaltenen, mit Kugelschreiber gezeichneten Bilder Antwortmöglichkeiten vor und schaffen Raum für Magie und Phantastik. In einem Wechselspiel verschiedener Blicke nähern sich Heinz Janisch und Michael Roher den komplexen Fragen der Identität an.
Schneelöwe ist ein geheimnisvoll-selbstbezügliches Bilderbuch, das auf kunstvolle und vielschichtige Weise zu Entdeckungen im Buch, in sich selbst und in anderen einlädt.
Bilderbücher vom Everest
Gleich zwei besondere Bilderbücher widmen sich in den letzten Jahren dem Mount Everest, dem höchsten Berg der Welt.
Bereits 2019 erschien das wunderbar von Lisk Fenk bebilderte Everest, geschrieben von Sangma Francis. Es beschreibt die Geschichte des Himalayas und des Mount Everest, inklusive der ersten Besteigungen, aber auch der (Göttinnen)Sagen, die sich um den Berg ziehen. Zudem werden neue Erfindungen beschrieben, die für eine erfolgreiche und sichere(re) Erklimmung notwendig sind und auch der Klimawandel und Umweltschutz werden thematisiert.
Im Februar 2023 erscheint anlässlich des 70-jährigen Jubiläums der erfolgreichen Erstbesteigung bei Tyrolia: Zwei auf dem Everest: Ein gemeinsamer Traum die Geschichte von Tensing Norgay und Edmund Hillary. Der Traum: Der Chomolungma, der Everest, der höchste Berg der Welt. Dabei werden die unterschiedlichen Lebensgeschichten der beiden Persönlichkeiten anfangs einzeln, allerdings nebeneinandergestellt betrachtet, um ab dem Zusammentreffen und dem weiteren gemeinsamen Weg in doppelseitige Illustrationen und gemischten Erzählsträngen überzugehen. Die indische Autorin Uma Krishnaswami erzählt die historischen Ereignisse mit den erfundenen Stimmen der Protagonisten, die der Illustrator Christopher Corr mit farbenfrohen, prägnanten Bildern ergänzt. Ein kurzer Sachbuchteil am Ende ergänzt wichtige Informationen.
Wolf Erlbruch - ein Nachruf
Am 11.12.2022 starb der berühmte Bilderbuchillustrator und -autor Wolf Erlbruch.
1948 geboren, studierte er an der Folkwang Hochschule in Essen, Schwerpunkt Zeichnung. Danach war er sehr erfolgreich in der Werbebranche tätig. Von 1990 bis 1997 lehrte Erlbruch als Professor für Illustration an der FH Düsseldorf und von 1997 bis 2009 als Professor im Fachbereich Architektur-Design-Kunst an der Bergischen Universität Wuppertal, bevor er von 2009 bis 2011 als Professor für Illustration an seine Alma Mater zurückkehrte.
Sein Durchbruch als Bilderbuchkünstler gelang ihm 1989 mit dem weltweit bekannten Bilderbuch Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat, 1993 wurde er mit dem deutschen Kinder- und Jugendliteraturpreis für Das Bärenwunder ausgezeichnet. 2000 erhielt er bei uns im Haus den Troisdorfer Bilderbuchpreis für Neues ABC Buch für Kinder.
2003 wurde er erneut vom Arbeitskreis Jugendliteratur ausgezeichnet und zwar mit dem Sonderpreis Illustration für sein Gesamtwerk; außerdem erhielt er den Hans Christian Andersen Award und 2017 mit dem Astrid-Lindgren-Gedächtnis-Preis (ALMA) die weltweit höchste Auszeichnung für herausragende Kinder- und Jugendliteratur.
Auch wir hatten das Glück persönlich mit Wolf Erlbruch zusammen arbeiten zu dürfen: 2016 fand mit Väter und Söhne: Wolf und Leonard Erlbruch eine große Werkschau im Bilderbuchmuseum statt. Wolf Erlbruch prägte mit seinem Bilderbuchstil die Entwicklung der Bilderbuchkunst in Deutschland und weltweit. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie.
Herzlichen Glückwunsch Emma Adbåge!
Emma Adbåge hat mit Unsere Grube den deutschen Jugendliteraturpreis in der Kategorie Bilderbuch gewonnen und wir gratulieren ganz herzlich!
Die Grube ist der allerbeste Spielplatz - finden die Kinder. Die Erwachsenen aber lassen die Grube zuschütten - viel zu gefährlich. Aber die Kinder wehren sich und erobern ihren Abenteuerplatz zurück. Und das ist wichtig, denn Kinder brauchen Freiheiten und wissen selbst am Besten wie und wo sie spielen wollen. Junge Leser*innen verstehen das Buch einfach so als witzige, abenteuerliche Geschichte, aber auch die Älteren sollten es lesen: Als Erinnerung an die eigene Kindheit und ihre Spiele und als Erinnerung daran, dass Kinder Freiheiten brauchen und verdienen.
In der Jurybegründung heißt es: "Die schwedische Bilderbuchkünstlerin Emma Adbåge stellt sich eindeutig auf die Seite der Kinder: Unaufgeregt lässt sie diese gemeinsam und erfindungsreich Konflikte lösen. Auf den aquarellierten Bildern in naturnahen Farbtönen entwirft sie mit ihren alles andere als niedlichen jungen Sympathieträger*innen eine Gruppe von Kindern, die mit ihrer Widerständigkeit mitreißt und die Betrachter*innen ermutigt, eigenen Ideen zu vertrauen." Und dem können wir uns nur anschließen!
Klassiker neu gemacht
Der Kinderbuchverlag Kindermann aus Berlin hat es sich zum Ziel gemacht Klassiker der Weltliteratur neu zu inszenieren und für Kinder (und natürlich auch Erwachsene) herauszugeben. So soll ein einfacher und spielerischer Zugriff ermöglicht werden und neue Impulse gesetzt werden. Dabei arbeitet der Verlag mit immer neuen, herausragenden Illustrator*innen zusammen - die wiederum ihre eigenen Schwerpunkte setzen und neue Assoziationen aufwerfen.
Zwei herausragende Beispiele kommen dabei aus der Reihe "Poesie für Kinder": Rilkes "Der Panther" und Goethes "Der Erlkönig".
Sabine Wilharm hat sich des Erlkönigs angenommen: Auf kongeniale Weise setzt und übersetzt sie die Ballade in eine moderne Version, wobei sich die Schauerlichkeit des Textes im geradezu kindlich anmutenden Erlkönig erst auf den zweiten Blick erschließt und dadurch umso eindrücklicher wird. Man begleitet den Jungen auf seinem Weg und fiebert mit ihm mit - bis zum ernüchternden Ende.
Oder ist es ein neuer Anfang?
"Der Panther" ist Rilkes wohl berühmtestes Dinggedicht - ein bloßer Zwölfzeiler, den Julia Nüsch als Tag im Leben Rilkes darstellt: Zu Beginn des Buches sieht man den Poeten allein und verzweifelt in seinem Arbeitszimmer, bevor er im Jardin du Plantes, Paris den Panther erblickt. Es entsteht ein Spiel mit den Blicken und eine regelrechte Verschmelzung von traurigem Künstler und derangiertem, ebenfalls traurigem Panther, beide allein, in welches die Lesenden, die Betrachtenden mit einbezogen werden.
"Poesie für Kinder" ist nicht die einzige Reihe des Kindermann-Verlages: Daneben gibt es auch "Weltliteratur für Kinder", "Sagen für Kinder", sowie eine Biographie und Kunstreihe.
Tiere im Bilderbuch
Tiere kommen ziemlich häufig in Bilderbüchern vor: In Sachbüchern oder Geschichten, als Haustier(e) oder auch als Protagonist*innen. Kinder kennen und verstehen Tiere, jedes Kind kann sich das entsprechende Tier vorstellen. Außerdem werden Tiere häufig genutzt um Probleme der Kinder darzustellen und zu lösen - so dass sie zu Identifikationsfiguren für die kleinen Leser*innen werden und Lösungsmöglichkeiten und Handlungsoptionen aufzeigen.
Zwei besonders gelungene, aktuelle Beispiele sind Ben. Mein erster Tag mit Herrn Sowa von Oliver Scherz, illustriert von Annette Swoboda für Kinder ab 3, sowie Die Ameise und der Frosch von Selim Özdogan, illustriert von Clara Sophie Klein für Kinder ab 1.
Ben will ein Haustier und zwar am liebsten ein Meerschweinchen. Ein süßes, putziges Tier zum kuscheln und liebhaben. Aber dann bekommt er doch nur eine Schildkröte! Was soll er denn damit? Schildkröten sind langweilig und langsam und überhaupt nicht kuschelig!
Also beklebt Ben Herrn Sowa - so heißt die Schildkröte - mit einer kuscheligen Decke. Sehr zum Ärger seiner Mutter! Aber mit der Zeit freunden sich die beiden immer mehr an und erleben sogar ein großes Abenteuer miteinander!
Auch in Die Ameise und der Frosch geht es um Freundschaft: Die Ameise sucht nämlich dringend einen Freund. Als ihr der Frosch begegnet, hofft sie, dass er eine Ameise ist. Wenn auch eine große, grüne, hüpfende Ameise – hauptsache eine Ameise! Denn eine Ameise kann doch nur mit einer anderen Ameise befreundet sein, oder? Zum Glück sieht der Frosch das anders. Und so beginnt die wunderbare Freundschaft von Ameise und Frosch.
Ein tolles, kindgerechtes Plädoyer für Freundschaft und Toleranz.
Shoah im Bilderbuch
Den Holocaust oder die Shoah für Kinder verständlich zu erklären ist angesichts der Schrecken dieses Themas fast unmöglich. Dennoch gibt es viele wunderbare Bilderbücher die genau dies versuchen, denn der Holocaust darf niemals in Vergessenheit geraten.
Die Überlebende der Konzentrationslager Auschwitz und Bergen-Belsen Hédi Freid erzählt "Die Geschichte von Bodri", damit es nie wieder passiert. Gemeinsam mit ihrer Freundin Marika und ihrem Hund Bodri lebt Heidi ein unbeschwertes Kinderleben. Beide sind sich sehr ähnlich und verstehen sich fast immer, und dass ihre Eltern unterschiedliche Gebete sprechen, ist für die Mädchen kein wirkliches Thema. Das kommt erst auf, als die deutsche Wehrmacht die Heimatstadt der Kinder besetzt und Heidi als Jüdin nicht mehr am öffentlichen Leben teilnehmen kann. Das wird zunehmend schwieriger und irgendwann ist es soweit, dass alle Jüd*innen die Stadt verlassen müssen und fortgebracht werden. Das bringt auch den schmerzvollen Abschied von Bodri, der mit anderen verlassenen Hunden zurückbleiben muss. Der neue Ort ist ein Ort des Verlustes und des Todes, wenig wird davon berichtet. Der Fokus bleibt daher eher bei Bodri, der treu wartet, bis Heidi eines Tages tatsächlich wieder zurückkehrt. Während das Kinderleben in Ausschnitten detailhaft erzählt wird, wird die Darstellung der nationalsozialistischen Todesmaschinerie eher ausgespart. Der Text bleibt bei Andeutungen, die durch ein eindrückliches Bild der beiden ausgezehrten und kahlgeschorenen Schwestern Hédi und Livia am Zaun begleitet werden. Hier übernehmen die realistisch gezeichneten, historisiert wirkenden Tusche-Aquarell-Kombinationen von Stina Wirsén das Erzählen. Die nonverbalen Bilder drücken eindrücklich den katastrophalen Einschnitt aus, den die Deportation darstellt. Ein eindrückliches und eindrucksvolles Buch.
Peter Sís wunderbarem Buch "Nicky & Vera. Ein stiller Held des Holocaust und die Kinder die er rettete" gelingt es, die Schrecken darzustellen, aber eben auch Hoffnung, Mut und Menschlichkeit zu zeigen. "Nick & Vera" erzählt poetisch und in anrührenden Bildern die wahre Geschichte von Nicholas Winton. Dieser sagte 1938 kurzerhand seinen Skiurlaub ab und fährt stattdessen nach Prag. Er rettet in den darauffolgenden Wochen und Monaten fast 700 jüdische Kinder vor den Nazis, indem er Kindertransporte von Prag nach England organisiert. Eines dieser Kinder ist die kleine Vera Gissing, die im Sommer 1939 ihr Dorf und ihre Familie verlässt. Sie wird die Nazizeit überleben, aber ihre Familie nie wiedersehen.
Wie es ist, wenn man sein Zuhause verlassen muss, das können schon kleine Kinder verstehen. Und auch, dass da ein Mensch ist, der es als seine Aufgabe begreift, anderen zu helfen und nicht wegzusehen.
Mit "Zwei von jedem" ist Rose Lagercrantz ein Meisterwerk gelungen: Die Geschichte einer Kinderfreundschaft, aus der Liebe wird, und die tief berührt. "Zwei von jedem" ist tief in Rose Lagercrantz’ Familiengeschichte verwurzelt (ihre Eltern überlebten den Holocaust) und durch die Illustrationen ihrer Tochter Rebecka ein Familienprojekt.
Siebenbürgen in den 1940er-Jahren: Eli und Luli sind neun Jahre alt und unzertrennlich. Selbst als Eli plötzlich schwer krank wird, bleibt Luli an seiner Seite. Kaum ist er genesen, muss Luli ihrem Vater nach Amerika folgen. Eli bleibt voller Sehnsucht zurück, doch sein Leben geht weiter. Er feiert seine Bar-Mizwa und wird erwachsen. Der Zweite Weltkrieg bricht aus, Juden müssen einen Stern tragen, werden aus ihren Häusern vertrieben und nach Auschwitz deportiert. So auch Eli. Er überlebt – in seinen Gedanken immer bei Luli. Als Eli nach dem Krieg nach Schweden kommt, ist er zunächst ohne Perspektive. Doch dann erreicht ihn ein lang ersehnter Brief aus New York … Der Holocaust und die Schrecken der NS-Zeit sind hier ein Teil der kindlichen Realität, was der Geschichte viel Authentizität verleiht.
Wie entsteht eine Ausstellung - Eindrücke
Nach dem das Thema der Ausstellung entschieden wurde, müssen alle passenden Illustrationen rausgesucht werden.
Anschließend werden diese passepartouriert und gerahmt.
Danach wird entschieden welches Bild wo hin kommt. Meist entscheiden thematische Kriterien, manchmal chronologische oder ästhetische.
Auch weitere Dekorationselemente fließen in die Ausstellung mit ein.
Ab sofort sehen Sie das fertige Ergebnis in unsere großen Jubiläumsausstellung: 40 Jahre Bilderbuchmuseum Troisdorf.
Merav Salomon in der Sammlung des Bilderbuchmuseums
Mit großzügiger Unterstützung des Vereins zur Förderung der Kinderbuch-Kunst des Museums der Stadt Troisdorf konnten verschiedene Werke der zeitgenössischen israelischen Künstlerin Merav Salomon erworben werden.
Merav Salomon, geboren 1967 in Tel Aviv hat deutsche Großeltern, die noch vor der Shoah auswanderten und ihre Liebe zur deutschen Kultur und zum deutschen Bilderbuch mit nach Israel brachten. Dies prägte Salomons Bild von Deutschland nachhaltig, während sie gleichzeitig mehr und mehr über die Schrecken der Shoah lernte und Deutschland als Land der Täter zu begreifen begann.
Diese Diskrepanz prägt bis heute ihre Illustrationskunst, die doch bisweilen an die großen deutschen Illustratoren wie Walter Trier und Wilhelm Busch erinnert und gleichzeitig Themen wie Tod, Krieg und den Holocaust verarbeitet.
Nachdem 2018 die Ausstellung "Staying Alive. Bilderzählungen von Merav Salomon" ein voller Erfolg für das Museum war, war klar, dass Illustrationen dieser bedeutenden israelischen Künstlerin mit deutschen Wurzeln den Bestand der Museumssammlung vortrefflich ergänzen würden. So wurde mit Hilfe des Fördervereins ein Ankauf von 20 Arbeiten zu "The archive of the Hand of Chance" aus dem Jahr 2016 realisiert. Darin verarbeitet die Illustratorin die Geschichte ihrer Urgroßmutter Regina Korn, die in Polen lebte, während des 2. Weltkrieges zunächst nach Auschwitz, anschließend nach Bergen-Belsen deportiert wurde und kurz nach der Befreiung durch die Briten verstarb.
Ihr Grafikdesign-Studium absolvierte Salomon an der Bezalel Academy of Arts and Design in Jerusalem, wo sie heute als Professorin tätig ist. Ihre Arbeiten erhielten zahlreiche Auszeichnungen wie den Sharet Foundation Prize sowie den Distinguished Award der Israeli Council for Art and Culture. Merav Salomons Illustrationen erschienen unter anderem in der New York Times und dem New York Magazine.
Wir freuen uns dieses bedeutende Kontingent zeitgenössischer Kunst in der Illustrationssammlung des Bilderbuchmuseums begrüßen zu dürfen.
Refugees Welcome
Bilderbüchern erklären Kindern (und Erwachsenen) die Welt und außer Corona und dem Umweltschutz war eins der großen Themen der letzten Jahre die Flüchtlingskrise und der andauernde Migrationsdruck auf die (west)europäischen Länder.
Diese kleinen Kindern begreiflich zu machen birgt große Schwierigkeiten, aber die beiden hier vorgestellten Bücher geben einen kleinen Einblick:
Salma ist nach ihrer Flucht mit ihrer Mutter in einer Flüchtlingsunterkunft in Hamburg gelandet. Alles ist komisch, sie versteht kaum jemanden und Mama ist nur noch traurig und gestresst. Da beschließt sie Mama eine Freude zu machen und ein syrisches Foul Shami für sie zu kochen. Aber alles geht schief: Die deutschen Zutaten-Namen fallen ihr nicht ein und wie soll sie nur an das Rezept kommen? Mit der Unterstützung von netten Menschen geht aber alles gut und Mama kann endlich wieder lächeln.
Danny Ramadan verarbeitet kindgerecht seine eigene Flucht- und Ankunftserfahrung und Anna Brons Bilder erwecken die Geschichte zum Leben.
Die Geschichte von Elenis Konfetti berichtet aus europäischer (Kinder)Perspektive:
Eleni versteht überhaupt nicht, warum die Neuankömmlinge auf ihrer kleinen griechischen Insel zelten müssen und kein Zuhause mehr haben und warum sie dieses überhaupt verlassen mussten. Oma erklärt so gut sie kann, ist aber in ihrer eigenen Hilflosigkeit gefangen. Die beiden bringen den Geflüchteten selbstgekochte Marmelade, aber "Das Leben in den Zelten muss schlimm sein - auch wenn man Omas Marmelade drauf schmiert".
Gemeinsam beschließen Oma und Eleni alle Inselbewohner zum Helfen zu bringen; gemeinsam werden sie das Leben der Geflüchteten vielleicht verbessern können und die Insel könnte ein Zuhause für alle werden.
Ein Buch das zumindest ein kleines bisschen Mut macht.
Bücher unterm Weihnachtsbaum
Natürlich finden wir, dass Bücher die besten Geschenke der Welt sind! Und hier sind 2 die uns besonders gefallen haben:
Nadia Budde hat den Grinch fabelhaft neu übersetzt und gereimt. Der zeitlose Kinderbuchklassiker von Dr. Seuss gehört spätestens seit der Neuverfilmung zu den bekanntesten Weihnachtsfiguren.
Die Geschichte ist bekannt: Der Grinch hasst Weihnachten und zwar alles, von Geschenken über den Gesang und die Dekorationen. Also will er das Fest vermasseln: Er verkleidet sich als Weihnachtsmann, zwängt sich durch die Kamine in die Häuser der Huhs und klaut ihnen alle Weihnachtsvorbereitungen weg: Baum, Geschenke, Weihnachtsschmuck; selbst die Kühlschränke leert er bis auf den letzten Krümel. Doch sein Plan geht nicht auf den Zauber und die Liebe des Weihnachtsfests kann er nicht stehlen, und am Ende wird selbst sein hartes, kleines Herz weich und groß.
Ganz anders Lieselotte: Sie fiebert Weihnachten entgegen, doch dann geht einfach alles schief. Die Wunschzettel sind nicht beim Weihnachtsmann angekommen und das ist ihre Schuld.
Ihr Versuch Weihnachten zu retten scheitert furchtbar.
Keiner wird Geschenke bekommen.
Und Schnee gibt es auch keinen. Was soll sie bloß machen?
Ein Vorlesespaß für Klein und Groß mit der liebenswerten Lieselotte.
Umweltschutz im Bilderbuch!?!
Da Bilderbücher alle Themen der Gesellschaft für Kinder aufbereiten, gibt es seit Jahrzehnten auch welche zum Thema Umwelt und Umweltschutz. Kinder sollen so unterhalten werden und dabei für das Thema sensibilisiert werden.
Während der Ausstellung zum Troisdorfer Bilderbuchpreis 2021 kürte die Besucher*innenjury Die Klimaschweine von der Illustratorin Julia Neuhaus (Text: Till Penzek) als Lieblingsbuch.
Den Klimaschweinen darin geht es saugut! Sie schwelgen in einem Leben aus materiellem Luxus. Unterdessen wird es weit entfernt im Pinguinland immer wärmer. Unter Anleitung ihres Professors machen sich die Pinguine auf die Reise ins Schweineland. Sie wollen die Klimaschweine zur Rede stellen. Aber im Schweineland will ihnen zunächst einmal niemand zuhören. Erst als auch vor Ort das Klima immer ungemütlicher wird, sind die Schweine gewillt etwas zu verändern. Nur was?
Auch Johanns Welt ist in Unordnung. Sein Zimmer steht unter Wasser, der Garten, die Felder, die Wiesen sind überschwemmt, im Wasser treiben Eisschollen und in einem Kajak rudern Männer und Frauen in Eskimopelzen auf ihn zu. Wollen die etwa zu ihm? Schnell schleicht er sich zu seiner Oma ins Dachzimmerchen, die vor dem Fernseher sitzt und seufzt: »Das Wetter spielt total verrückt. Wie soll das bloß alles enden?« Die grünen Stiefel ist das Bilderbuch zur Stunde. Die Klimakatastrophe ist in aller Munde, die Kinder hören mit. Aber wie kommt bei ihnen an, worüber die Erwachsenen reden? Möglicherweise genau so, wie der renommierte Kinderbuchautor und -illustrator Hans Traxler davon erzählt: In traumhaften Bildern einer fantastischen Geschichte. Sie kommen zu uns, die großen und kleinen Eisbären, Schlittenhunde und Robben, die riesigen Walrösser, die Eskimos in echt oder nur im Traum? Was ist passiert?
Ein traumhaft schönes Bilderbuch zum Klimawandel zum Nachdenken und Mitreden.
Herzlichen Glückwunsch an Sydney Smith
Sydney Smith ist mit dem Jugendliteraturpreis im ausgezeichnet worden. Der kanadische Illustrator und Autor hat mit seinem Buch "Unsichtbar in der großen Stadt" ein Meisterwerk der Bilderbuchkunst geschaffen, wie es in der Jurybegründung heißt. Die Geschichte folgt einem kleinen Jungen, der in einer schneebedeckten grauen Großstadt unterwegs ist und dabei eine Mission verfolgt.
Das Buch besticht durch seinen Detailreichtum und seine Rätselhaftigkeit, es lädt ein zum Blättern und Staunen.
Demokratie im Bilderbuch
Die Bundestagswahl hat in den letzten Wochen und Monaten viele Menschen in Deutschland beschäftigt. Wenig überraschend wird das Thema auch in aktuellen Bilderbüchern aufgegriffen:
Während Wählt Wolf! von Davide Cali und Magali Clavelet (erschienen im Picus Verlag) durch seine Bildsprache deutliche Reminiszenzen an den amerikanischen Wahlkampf hervorruft, erklärt Bestimmer sein. Wie Elvis die Demokratie erfand von Katja Reider und Cornelia Haas (erschienen bei Hanser) wie Demokratie überhaupt funktioniert und dass der Stärkere nicht immer Recht hat.
Dunja Schnabel illustriert klar und kindgerecht die Geschichte von Juli Zeh Jetzt bestimme Ich, Ich, Ich! (erschienen bei Carlsen), die versucht demokratische Grundprinzipien auf eine Familie anzuwenden. Wer bestimmt wo man hingeht, was gegessen wird, und wer das Essen überhaupt zubereiten muss? Wer darf über wen bestimmen und was passiert, wenn alle nur ihr eigenes Ding machen? Wie findet man einen Kompromiss und wer setzt ihn durch? Und wie kann man überhaupt harmonisch zusammen leben?
Corona im Bilderbuch
Bilderbücher sind oft ein Medium um Kindern die Welt und schwierige Sachverhalte zu erklären. Kein Wunder also, dass eine ganze Reihe von Corona-Bilderbüchern in den letzten Monaten erschienen ist.
Da werden verschiedene Aspekte beleuchtet:
Albertine und Germano Zullo beschreiben im zauberhaften Du, was machst du gerade? Eine Geschichte von Roberto und Marie die Tücken des Homeoffices mit Kind.
Drinnen draußen erzählt von den plötzlichen Veränderungen, die sich für die Menschen, aber auch für die Natur ergeben haben, während Seelöwen auf dem Parkplatz von den Rückeroberungen der Natur in einer stillstehende Welt berichtet.
Martin Perscheid - ein Nachruf
Am 31. Juli verstarb der deutsche Cartoonist Martin Perscheid (geb. 16.02.1966 in Wesseling) nach einem Krebsleiden.
Der gelernte Druckvorlagenhersteller veröffentlichte seit 1995 regelmäßig "Perscheids Abgründe" in verschiedenen Zeitungen und dazu diverse Bücher.
Mit beißendem, schwarzem Humor, oft spöttisch und dazu tagesaktuell, verstand er es den Leser*innen (und der Politik) immer wieder den Spiegel vorzuhalten und machte dabei auf Missstände aufmerksam.
In seiner langjährigen Tätigkeit schuf er über 4000 Cartoons und war außerdem Träger des renommierten Max- und Moritz-Preises für die beste deutschsprachige Cartoonserie.
Eric Carle - ein Nachruf
Am 23.05.2021 starb der weltberühmte Bilderbuchillustrator Eric Carle.
Geboren von deutschen Auswanderern am 25.06.1929 in Syracuse, New York, verbrachte er einen Teil seiner Jugend und frühen Erwachsenenjahre in Deutschland, bevor er wieder in die USA zurückkehrte. Dort war er zunächst bei der New York Times und in einer Werbeagentur beschäftigt, bevor er sich als Graphiker und Illustrator selbstständig machte.
Sein berühmtestes Bilderbuch ist wohl "Die kleine Raupe Nimmersatt", aber darüber hinaus illustrierte und verfasste er über 70 weitere (Bilder)Bücher, etwa "Brauner Bär, brauner Bär, wen siehst du" und "Die kleine Spinne spinnt und schweigt".
Übrigens: Auf niederländisch heißt die kleine Raupe Nimmersatt: Rupsje Nooitgenoeg. Sie wurde in über 80 Sprachen übersetzt und weltweit millionenfach verkauft. Jedes Kind kennt die Zeilen:
Am Montag fraß sie sich durch einen Apfel, aber satt war sie noch immer nicht.
Am Dienstag fraß sie sich durch zwei Birnen, aber satt war sie noch immer nicht...
1999 widmete das Bilderbuchmuseum ihm eine Ausstellung, was ihn ja möglicherweise inspirierte wenige Jahre später ein eigenes Museum in Amherst, Massachusetts zu eröffnen.